Als quasi letzte Amtshandlung als Volkswagen-Vorstandsvorsitzender unterschrieb Herbert Diess in Kanada eine Absichtserklärung. Unter dem kritischen Blick von Bundeskanzler Olaf Scholz unterschrieb er ein Memorandum of Unterstanding für ein Investment in lokale Minenunternehmen. Mit dabei waren der kanadische Premierminister Justin Trudeau und François-Philippe Champagne, Minister für Innovation, Wissenschaft und Industrie. Volkswagen oder genauer gesagt die Power Co will sich damit den Zugang zu Rohstoffen für die Batterieproduktion in den eigenen Gigafabrik sichern.
Vom Kobalt bis zur Karosserie – alles in Herstellerhand
Olaf Scholz und Robert Habeck sind derzeit auf Staatsbesuch in Kanada. Im Begleittroß sind etliche Unternehmenslenker. Darunter auch Vertreter von Mercedes-Benz. Auch sie sind an Batterie-Rohstoffen aus dem nordamerikanischen Land interessiert. Bei den deutschen Autoherstellern hat ein Umdenken stattgefunden. Während in den Anfängen der Elektromobilität der Einstieg in die Zellforschung oder deren Produktion abgelehnt wurde, geht man inzwischen deutlich weiter. “Das Rohmaterial macht rund 80 Prozent der Kosten für Batteriezellen aus“, sagt VW-Technikvorstand Thomas Schmall dem Handelsblatt (€), “Früher dachten die großen Autohersteller, es reicht, wenn man Zellfabriken kauft. Heute wissen wir, dass wir viel tiefer in die Wertschöpfungskette reingehen müssen.” So wollen die Hersteller möglichst früh ihre Hände an ausreichend sowie qualitativ hochwertiges Kobalt, Lithium, Nickel, Graphit, Mangan und Kupfer bekommen.
In Zukunft mehr Batterien oder E-Fuels bei Volkswagen?
Den geplanten Vertrag mit Leben füllen muss allerdings ein anderer VW-Chef als Herbert Diess. Ab dem 1. September 2022 wird Porsche-Chef Oliver Blume auch die Rolle des Konzernchefs übernehmen. Viele haben bereits ein Umschwenken des Konzerns in Sachen Elektromobilität vorhergesagt. Kurz vor seinem Amtsantritt spricht sich Blume im Interview mit der Automobilwoche (€) für synthetisch erzeugte E-Fuels aus. Dabei ist nicht ganz klar, ob er bereits für den Konzern spricht oder nur die Sportwagenmarke Porsche meint. Insbesondere Sportwagen werden noch viele Jahre mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein. Das mag auch für etliche andere Modelle in verschiedenen Regionen der Welt gelten. Herbert Diess hatte E-Fuels stets mit dem Hinweis auf ihre Ineffizienz abgelehnt. Bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe muss viel Energie eingesetzt werden. Im Vergleich zum batterieelektrischen Auto fällt die Energiebilanz deutlich schlechter aus. Zudem werden auch beim Verbrenner von E-Fuels umwelt- und gsundheitsschädliche Abgase ausgestoßen.
#VWGroup plans to invest in Canadian mines for battery raw materials. Together with Canadian government & our battery company #PowerCo we’re working on ramping up 🔋 activities, including sustainable supply chains.
— Volkswagen Group (@VWGroup) August 23, 2022
📝 Today we signed the “Memorandum of Understanding” (MoU). pic.twitter.com/FE2YWiUvA9
Lithiumhydroxid-Konverter in Brandenburg
Mercedes-Benz prüft eine strategische Partnerschaft mit dem deutsch-kanadischen Start-up Rock Tech Lithium Inc. Diese Partnerschaft soll es der Marke mit dem Stern ermöglichen, die Versorgung seiner Batteriezelllieferanten mit Lithiumhydroxid abzusichern, um die globale Nachfrage nach batterieelektrischen Fahrzeugen decken zu können. Im Rahmen der geplanten Partnerschaft beabsichtigt Rock Tech, Mercedes-Benz und seine Batteriepartner mit jährlich bis zu 10.000 Tonnen Lithiumhydroxid zu beliefern. Die beabsichtigte Zusammenarbeit soll im Jahr 2026 mit einer Qualifizierungsphase starten.
Rock Tech entwickelt gegenwärtig sein ersten Lithiumhydroxid-Konverter im brandenburgischen Guben. Bislang gibt es in Europa keine weitere Raffinerie dieser Art. Diese Versorgungslücke will Rock Tech bei Lithium schließen und die regionalen Lieferketten resilienter machen. Ab Ende 2024 wird deshalb in diesem Konverter Spodumen zu hochwertigem Lithiumhydroxid raffiniert. Dies würde eine kurze Lieferkette im Heimatmarkt von Mercedes-Benz bedeuten und dürfte die Partnerschaft weiter stärken.
Neben der CO₂-neutralen Produktion von Lithiumhydroxid hat Rock Tech Lithium angeboten, den Autohersteller ausschließlich mit Lithium von Bergbaustandorten zu beliefern, die nach dem Bergbaustandard der Initiative for Responsible Mining Assurances (IRMA) auditiert wurden. Verantwortungsvoll abgebaute und verarbeitete Rohstoffe bilden die Grundlage für eine nachhaltige, vollelektrische Fahrzeugflotte.