Dieser Text über Recycling entstand im Auftrag von Golem.de
Nachhaltig ist Elektromobilität nur, wenn Materialien aus den Akkus an ihrem Lebensende wiedergewonnen werden. Die klassischen Verfahren nutzen Hitze oder Flüssigkeit. Doch einer macht es anders, er schreddert die Module. So recycelt Duesenfeld die wertvollen Rohstoffe günstiger, effizienter und vor allem mit weniger CO2-Belastung.
Rappelnd fahren die Module ihrem Ende auf dem Laufband entgegen. Von oben fallen sie in einen Schredder, der Aluminiumhülle, Elektrodenmaterial und Separatorfolie in kleinste Teile zermahlt. Das Ganze geschieht luftdicht und unter Stickstoff, so dass sich nichts entzündet.
Im zweiten Schritt wird der flüssige Elektrolyt verdampft und kondensiert. Eine klare Flüssigkeit fließt in einen Behälter neben der Anlage. An deren Ende steht ein großer Plastiksack, in den das Granulat fällt. Rund um die Anlage klebt auf dem Hallenboden graues Klebeband. “Das sind die Maße eines 40-Fuss-Containers”, erklärt Christian Hanisch. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Duesenfeld GmbH in Wendeburg bei Braunschweig. Verfahrenstechniker Hanisch hat mit seinen Ingenieurs-Kollegen die Anlage entwickelt und patentiert. Im finalen Stadium müssen die Bauteile in die 67,7 Quadratmeter eines Containers passen. Das ist entscheidend für Hanischs Konzept.
Schreddern, wo die Batterien anfallen
Ausgediente Lithium-Ionen-Akkus zu einem Recycling-Betrieb zu bringen, erfordert aufgrund der Brandgefahr einen Gefahrguttransport. Jeder Batterie-Pack muss brandsicher in eine Spezialverpackung. Das macht Transporte aufwändig und vor allem teuer. Noch gibt es keine Standards und kein Revers-Logistik-Netzwerk, also ein Rücknahmesystem der leeren Transporthüllen. Darum will Hanisch auf den Transport verzichten und direkt vor Ort schreddern. “Wir stellen unseren Container da auf, wo alte Batterien auflaufen”, sagt der 36-jährige. Lediglich das Granulat nach Wendeburg zu bringen, ist günstiger ungefährlich und umweltschonender. Wobei auch der nächste Schritt in einen Container passt und ebenfalls an Sammelstellen oder bei Autoherstellern erfolgen könnte. Das Granulat wird durch Wirbelstromabscheider, Siebe sowie Magnete sortiert. Hierbei werden Kupfer und Aluminium entnommen. Übrig bleibt ein graues Pulver, in dem die wertvollen Stoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan als auch Graphit stecken.
Jetzt beginnt der hydrometallurgische Prozess. “Wir trennen die Stoffe in einem Säurebad”, lautet Hanischs vereinfachende Erklärung. Am Ende des Prozesses stehen Nickel-, Mangan- und Kobaltsulfat, Lithiumcarbonat und Graphit in einer Reinheit, die eine direkte Verwendung in der Zellproduktion ermöglicht. In den ansonsten üblichen Schmelzverfahren werden geringere Metallanteile zurückgewonnen und das flüssige Elektrolyt verdampft. “Wir können 96 Prozent einer Batterie stofflich verwerten”, sagt Hanisch. Lediglich der Kunststoff der Separatorfolie bleibt übrig.
Dieser letzte Schritt erfolgt im Duesenfeld-Labor. Für die spätere Chemieanlage sucht Hanisch nach einem geeigneten Standort mit passender Kläranlage. Der Schredder in Wendeburg verarbeitet aktuell 3.000 Tonnen Akkus pro Jahr. Duesenfeld beschäftigt 20 Mitarbeiter, davon 15 Ingenieure. Christian Hanisch hat Bio-Verfahrenstechnik an der TU Braunschweig studiert. Aus einem Forschungsprojekt heraus gründete er 2011 mit Kommilitonen ein Unternehmen. Das verließ er 2017, um mithilfe eines Investors die Duesenfeld GmbH zu gründen. Die Firmierung erinnert an Erfinder Daniel Düsentrieb aus dem Comic. Das weist Hanisch nicht von der Hand. Der Name sollte technisch und deutsch klingen.
Das Recycling der Anderen
Duesenfeld steht noch am Anfang im Recycling-Markt. Platzhirsch ist das börsennotierte belgische Unternehmen Umicore mit über 10.000 Mitarbeitern. Sie recyceln pro Jahr rund 7.000 Tonnen Lithium-Ionen-Akkus aus Smartphones, E-Bikes und Elektroautos. Darunter sind auch die Batterien der Rennwagen der ersten beiden Saisons der Formel E. Das Recycling geschieht in einem Hochofen in Hoboken, südlich von Antwerpen. “Unser Recyclingverfahren basiert auf einer Kombination aus Pyrometallurgie und Hydrometallurgie”, sagt Marjolein Scheers, Pressesprecherin bei Umicore. Im Hochtemperaturofen verbrennen Kunststoffe als auch der flüssige Elektrolyt. Der Vorgang erfordert viel Energie. Zudem müssen entstehende Dioxine und Fluorwasserstoff gefiltert werden, bevor sie über den Schornstein entweichen. Aus der Schmelze recycelt das Unternehmen Kobalt, Nickel und Kupfer. “Hier erzielen wir eine Recyclingquote von 95 Prozent”, sagt Scheers. Für Lithium gibt es noch keinen Wert, doch Umicore wird das Alkalimetall im industriellen Maßstab zurückgewinnen, da es bei der Zellfertigung eine wichtige Rolle spielt.
Eine weitere Recyclingmethode ist die thermische Behandlung der Module. Das sind keine Hochöfen wie bei Umicore, doch verbrennen auch hier einige Bestandteile. Aus den Resten gewinnt man die Rohstoffe zurück. So macht es die Accurec Recycling GmbH aus Krefeld. Sie verarbeitete mit ihren 64 Mitarbeitern an zwei Standorten im vergangenen Jahr 6.000 Tonnen Akkus. Doch nur rund 150 Tonnen davon stammten aus Elektroautos. “Wir gewinnen rund 53 Prozent des Gewichts einer Batterie zurück”, sagt Geschäftsführer Reiner Weyhe. Lithium und Graphit zählen noch nicht dazu, sind aber Teil eines Forschungsprojektes.
Die dritte Recyclingmethode erfolgt in Flüssigkeit. Wasser mit diversen Zusätzen kühlt zum einen die thermische Reaktion und bindet gleichzeitig Reaktionsprodukte. Diese Methode nutzt die Promesa aus Hettstedt in Sachsen-Anhalt. Sie ist ein Tochterunternehmen der Verwertungs- und Vertriebsgesellschaft (VVG), spezialisiert auf die Entsorgung industrieller Abfälle. Der familiengeführte Mittelständler beschäftigt in etwa halb so viele Mitarbeiter wie Accurec Recycling.
Die Promesa bezieht den Großteil der Batterien von Industriekunden sowie aus europäischen Rücknahmesystemen. Dazu gehören beispielsweise die grünen Sammelboxen, die man aus Bau- und Supermärkten kennt. Sie sind Teil des Gemeinsamen Rücknahmesystems.
Zusammen mit Modulen aus Elektroautos werden die Zellen in Flüssigkeit zerkleinert. Über mechanische Separationsverfahren trennt Promesa die Materialien in unterschiedliche Fraktionen. In einem hydrometallurgischen Prozess werden unter anderem die Rohstoffe Kobalt und Nickel zurückgewonnen.“Neben der ökologischen Bedeutung, spielt die Rückgewinnung, bei zum Teil sehr hohem Handelswert dieser Metalle, selbstverständlich auch eine ökonomisch entscheidende Rolle bei der betriebswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung”, sagt Julian Reppekus, Geschäftsführer der VVG. Die Tonne Nickel wird derzeit mit über 11.000 Euro und eine Tonne Kobalt mit über 23.000 Euro an den Rohstoffmärkten gehandelt.
Noch zu wenig Batterie-Rückläufer
Worunter alle Wiederverwerter leiden, ist die geringe Stückzahl der Akkus aus Elektroautos. Noch stammen die meisten Batterien aus Versuchsfahrzeugen, Fehlproduktionen sowie Unfallautos. In größeren Stückzahlen kamen mit dem BMW i3 und Teslas Model S im Jahr 2013 Elektroautos auf den deutschen Markt. Lithium-Ionen-Zellen halten zwischen acht und zehn Jahre im Fahrzeug. Nach dieser Zeit beginnt das zweite Leben als stationärer Energiespeicher. Das kann in Privathaushalten mit Photovoltaik-Zellen auf dem Dach oder in großen Gewerbegebäuden wie der Amsterdam Arena geschehen. Für die gleichmäßigen Lade- und Entladezyklen sind die Akkus noch gut geeignet und weitere acht bis zehn Jahre im Einsatz. Erst dann gehen sie ins Recycling. Mit dem Hochlaufen des kommerziellen Recyclings rechnet Weyhe von Accurec ab 2023. “Dann ist mit Umsätzen aus Recyclingmaterialien von mehreren 100 Millionen Euro zu rechnen”, sagt Weyhe. Für eine möglichst hohe Recyclingquote müsse man vermeiden, dass Altfahrzeuge in Drittländer außerhalb der EU exportiert werden. “Wir haben Studien im Zuge von EU-Forschungsprojekten erarbeitet, die zeigen dass ab 2040 der Bedarf an Kobalt bis zu 25 und an Lithium bis zu 45 Prozent aus Rezyklat für Neubatterien gedeckt werden kann“, sagt der Unternehmer.
Tesla, der größte Hersteller von Elektroautos, übernimmt das Recycling in Eigenregie in seiner Gigafactory 1 in Nevada. Aufgrund der hohen Transportkosten dürften hier nur Akkus aus US-Fahrzeugen landen. Für das Recycling in anderen Teilen der Welt könnte Tesla auf die Container von Duesenfeld setzen. Das Granulat würde dann in Nevada weiterverarbeitet.
Das Verfahren aus Braunschweig ist nicht nur günstiger, sondern auch nachhaltiger, weil die Ingenieure die Restenergie aus den Akkus nutzen. Mitarbeiter entladen die Energiespeicher vor dem Zerlegen. “Mit dem Strom betreiben wir unseren Schredder“, sagt Duesenfeld-Gründer Hanisch.
Fotos: Wolfram Schroll für Duesenfeld