IRA: Der Lockruf des (Steuer-) Geldes in die USA. Vorentscheidung bei der Elektromobilität?

Skyline Las Vegas

Joe Biden elektrisiert die E-Auto-Hersteller. Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) hat der US-Präsident einen Wettlauf um Produktionskapazitäten in den USA gezündet. Das 369 Milliarden Dollar umfassende Programm soll nicht nur die Inflation im Land senken, sondern auch nachhaltige Energieproduktion und Klimaschutz nach vorn bringen. Daher spielen auch abgasfreie E-Autos eine Rolle. Deren Anschaffung wird mit bis zu 7.500 Dollar Gutschrift bei der Steuererklärung belohnt.

Die Webseite Fueleconomy listet Fahrzeuge, die sich für eine Förderung qualifizieren. Aktuell sind acht Varianten des VW ID.4 das einzige förderfähige ausländische E-Auto in den USA. Volkswagen baut den ID.4 im eigenen Werk Chattanooga in Tennessee. Auch bei den übrigen Vorgaben scheinen die Wolfsburger die entsprechende Nachweise erbracht zu haben. Kurios ist, dass es für das Tesla Model 3 Performance die volle 7.500 Dollar Gutschrift gibt. Für die Variante Standard Range mit Heckantrieb dagegen nur 3.750 Dollar. Es werden beide Modelle in den USA gebaut, doch die Batteriezellen für das Einstiegsmodell kommen aus China. Das US-Unternehmen Rivian konnte nicht den notwendigen Anteil bei den kritischen Batteriematerialien mit US-Herkunft nachweisen. Für die Modelle R1S und R1T gibt es nur 3.750 Dollar Steuergutschrift.

Industrielles Abwerbeprogramm der USA

Wir sehen eine große Welle, die sich gerade aufbaut. Das hat mit dem Ende des russischen Marktes, den steigenden Energiepreisen in Europa sowie dem Arbeitsmarkt mit seinem Personalmangel zu tun. Hier existiert immer noch der größte Binnenmarkt der Welt, der nun auch noch mit Fördergeldern lockt„, sagt Benedikt Ibing im The Pioneer-Podcast. Er ist Managing Partner der Pegasus Group mit Sitz in den USA. Das Beratungsunternehmen hilft mittelständischen Unternehmen beim Schritt über den Atlantik.

Das prominenteste Beispiel für die Wirkung des IRA dürfte Viessmann sein. Der deutsche Heizungsbauer aus dem hessischen Allendorf profitiert vom Boom der Wärmepumpen. Doch der Konkurrenzdruck aus China ist groß. Eine Expansion mit einem Börsengang oder Kreditaufnahme traut sich das Familienunternehmen nicht zu. Da kam das Angebot aus den USA gerade recht. Mit dem US-Steuergeld erhofft sich Carrier Global ein Riesengeschäft und bietet dem deutschen Familienunternehmen 12 Milliarden Dollar für die Übernahme der Wärmepumpen-Sparte.

Autofertigung in den USA

Im Autobereich zeigt der IRA ebenfalls Wirkung. Projekte in den USA werden vorgezogen oder intensiviert, das gilt für Zell- und Autohersteller. Die Hyundai Motor Group legte bereits den Grundstein für eine neue Fabrik in Georgia. Hier sollen E-Autos sowie Batterien für die Marken Hyundai, Kia und Genesis gefertigt werden. Polestar baut seinen SUV Polestar 3 im Volvo-Werk Ridgeville in South Carolina. Ebenfalls in South Carolina fertigt BMW. Die Bayern rüsten ihr Werk in Spartanburg auf die Fertigung von E-Autos um und errichten eine neue Batteriefabrik. Die genannten Hersteller müssen dringend nachbessern. Noch taucht in der Liste der förderfähigen Autos kein Modell von BMW, Hyundai, Volvo, Nissan oder Audi auf. Der schwedische Zellfertiger Northvolt schwankt noch: USA oder Schlesweig-Holstein? Die Entscheidung für eine Batteriefertigung in Heide bei Husum steht auf der Kippe. Die Fördergelder in den USA könnten dafür sorgen, dass die nächste Fabrik auf der anderen Seite des Atlantiks entsteht.

Die Regeln des Inflation Reduction Act für E-Autos

Die Steuergutschrift gibt es laut IRA Factsheet, wenn ein E-Auto, Brennstoffzellen oder der Plug-in-Hybrid-Auto gekauft und in den USA genutzt wird. Das Auto muss zudem in den USA gebaut worden sein. Die erste Hälfte der Fördersumme (3.750 Dollar) gibt es, wenn mindestens 40 Prozent der kritischen Batteriematerialien (Aktivmaterialien in Anode und Kathode) in den USA gefördert bzw. verarbeitet wurden. Das gilt auch für Materialien, die aus Ländern stammen, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen unterhält. China gehört nicht dazu. Dieser Prozentsatz steigt jährlich um zehn Prozentpunkt. Ab 2027 liegt der Anteil bei 80 Prozent.

Hälfte der Batterie-Materialien in den USA gefertigt

Die zweite Hälfte (3.750 Dollar) gibt es, wenn die Hälfte sämtlicher Materialien der Batterie in den USA hergestellt bzw. montiert wurden. Dieser Prozentsatz steigt bis 2029 auf 100 Prozent. Da dürfte es für Volkswagen interessant werden, aber dazu später mehr.

Zusätzlich gelten Einkommensgrenzen für die Steuerzahler sowie die Fahrzeugpreise bei der Förderung. Gemeinsam veranlagte Paare dürfen bis zu 300.000 Dollar pro Jahr verdienen, für Alleinverdiener-Paare sind 225.000 Dollar und für alle anderen 150.000 Dollar die Obergrenze. Der Listenpreis des Autos darf bei SUV, Pickup-Trucks und Vans 80.000 Dollar nicht überschreiten. Bei anderen Fahrzeugtypen (Pkw) gilt 55.000 Dollar als Maximum.

geplante PowerCo Batteriefabrik im kanadischen St. Thomas
Geplante Zellfabrik von Volkswagen im kanadischen St. Thomas

Die Maßnahmen sollen eine Abschottung von China erreichen, die insbesondere bei den Rohmaterialen für E-Auto-Batterien stark sind. Doch stellt sich die Frage, ob sich eigene Auto- und Batteriefabrik in den USA lohnen, wenn die Förderung im Jahr 2032 ausläuft. Derartige Investitionen werden in der Regel über längere Zeiträume gerechnet.

Volkswagen setzt auf Zellfabrik in Kanada

Volkswagen betreibt bereits eine Autofabrik in Tennessee, doch die größte Batteriefabrik im Konzern (90 GWh pro Jahr) planen die Wolfsburger in St. Thomas, südlich von London. Allerdings liegt der Ort in Kanada, auf dem Weg von Toronto nach Detroit. Der Export von Batterien in die USA dürfte kaum ein Problem darstellen.

Die kanadische Regierung subventioniert die Batteriefabrik über zehn Jahre mit voraussichtlich 13,2 Milliarden kanadischen Dollar. Volkswagen plant bis 2030 rund sieben Milliarden kanadische Dollar zu investieren. Sieht nach einem guten Geschäft aus. „Mit mehr als 700 Automobilunternehmen, uneingeschränktem Zugang zu kritischen Mineralien und einer durchgängigen, ethischen Batterielieferkette bietet Ontario perfekte Bedingungen für Investitionen in Elektrofahrzeuge„, heißt es in der Pressemitteilung. Premierminister Justin Trudeau zeigt sich euphorisch: „Wenn wir über unseren Made-in-Canada Plan sprechen, geht es um die Schaffung von guten Arbeitsplätzen für die Mittelklasse jetzt und in Zukunft, um saubere Luft für unsere Kinder und Enkel und um eine starke Wirtschaft, die für alle Kanadier funktioniert. Genau darum geht es bei der neuen Volkswagen-Fabrik für Elektroauto-Batterien in St. Thomas – der dann größten Produktionsstätte des Landes. Das ist ein Gewinn für die Arbeitnehmer, für die Gemeinschaft und für die Wirtschaft.

Baubeginn ist für 2024 vorgesehen und die Produktion soll 2027 starten. Der IRS dürfte in Kanada gefertigte Batteriezellen als förderfähig einstufen. So profitiert VW doppelt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der kanadische Prime Minister Justin Trudeau und Volkswagen-CEO Oliver Blume in Ottawa.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der kanadische Premierminister Justin Trudeau und Volkswagen-CEO Oliver Blume (vlnr) nach der Unterzeichnung zweier Batteriezellen, wie sie in St. Thomas hergestellt werden sollen.
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Dirk Kunde

Elektroautos, Brennstoffzellen, stationäre Speicherbatterien, V2G, Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren – die spannendsten Entwicklungen passieren im Bereich Mobilität. Darum geht es in meinen Artikeln und Videos. Als Journalist bin ich stets auf der Suche nach neuen Ideen für Mobilität von Morgen.

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