Die Corona-Krise hat das chinesische Auto-Start-up Byton härter getroffen als bislang vermutet. Die im Herbst 2019 gestartete Investitionsrunde C ist noch immer nicht abgeschlossen. Zwar sind Verträge unterzeichnet, doch manche Geldgeber halten ihre Überweisungen zurück. Weitere Investorengespräche mussten Corona-bedingt in der chinesischen Fabrik als auch im deutschen Design-Studio abgesagt werden.
Geldgeber der dritten Finanzierungsrunde sind unter anderem der japanische Mischkonzern Marubeni, der Industrie-Investmentfonds der Stadtregierung von Nanjing sowie FAW. First Automotive Works (FAW) ist ein staatlicher Autohersteller in China, der sich laut Crunchbase mit 500 Millionen Dollar in der dritten Finanzierungsrunde zugesagt hat. Wer seine Zusagen bislang nicht überweisen hat, ist allerdings unklar.

Wenn Geld fehlt, müssen Kosten gesenkt werden. Umsätze macht das Unternehmen noch nicht, also ist man auf die Investoren angewiesen. Die Personalkosten dürften aktuell der größte Kostenblock sein. Anfang des Jahres beschäftigte Byton 1.600 Mitarbeiter. Zunächst verzichteten die Top-Manager auf bis zu 80 Prozent ihrer Bezüge. Das wurde später auf Mitarbeiter ausgeweitet. Die nicht ganz freiwillige Gehaltsstundung richtet sich nach Hierarchieebenen. Von April bis Juli 2020 werden Gehälter für Ingenieure um 10, für Direktoren um 45 Prozent gekürzt. Laut einer Mail der Personalabteilung sollen die einbehaltenen Gehälter allerdings Anfang September an die Mitarbeiter ausgezahlt werden. Das Unternehmen braucht aktuell etwas Luft zum Atmen.

Beurlaubung, Schließung, Abgänge
Im April wurde knapp die Hälfte der 450 Mitarbeiter am Standort Santa Clara im Silicon Valley beurlaubt. In Deutschland wurde für die meisten Angestellten am Standort München Kurzarbeit angemeldet.
Die Büros in Shanghai (Marketing & Vertrieb) sowie in Peking (Regierungsbeziehungen) wurden geschlossen. Laut einem Bericht von Sinotf.com (chinesisch) musste die Fertigung in Nanjing wegen unbezahlter Wasser- und Stromrechnungen den Betrieb zwischenzeitlich einstellen. Produktionschef Mark Duchesne verließ nach vier Jahren das Unternehmen. Er baut nun die Fertigung des Truck-Unternehmen Nikola Motor Company in Phoenix, Arizona auf.

Audit verzögert Vorserienfertigung
Auf Bytons Weg zu einem serienreifen Elektroauto müssen laut einem Byton-Sprecher drei Hürden genommen werden. Die erste ist eine Fertigungslizenz, die Byton besitzt. Zu Jahresbeginn 2020 sollte das MIIT-Audit des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie in der Fabrik erfolgen. Die zweite Hürde. Doch der Ausbruch des Corona-Virus machte der Planung einen Strich durch die Rechnung. Das Audit erfolgte erst im März 2020 – wohlgemerkt mit positivem Ergebnis. Doch die Investoren der C-Runde wollten den Ausgang zunächst abwarten. Sie hielten ihre Zahlungen zurück. Jetzt steht den Überweisungen nichts mehr im Weg.
Die dritte Hürde ist ein Produkt-Audit, also des fertigen M-Bytes. Erste Modelle für Testfahrten und Crashtests liefen im Frühjahr in Nanjing vom Band. Doch nun ist die Vorserienproduktion ins Stocken geraten. Ohne Vorkasse liefern Zulieferer keine Materialien. Es entwickelt sich zu einem Teufelskreis.

Welche Rolle spielt FAW?
Das Investment von FAW galt eigentlich als Überlebensgarantie. Wenn der chinesische Staat sich bei Byton engagiert, muss das ein Erfolg werden – so die Logik. FAW betreibt bereits etliche Joint Ventures mit westlichen Automarken. Das Unternehmen hat diverse Automarken in seiner Heimat etabliert. Doch was FAW fehlt, ist eine erfolgreiche Marke im Ausland, insbesondere in Europa. Erstaunlicherweise entscheidet sich hier das Schicksal der Elektromobilität.
Eigentlich sollte das erste Modell von Byton, der M-Byte, als letztes in Europa auf den Markt kommen. Doch inzwischen stammen 38 Prozent der Vorbestellungen aus Europa. Vertriebschef Andreas Schaaf stellte im März 2020 erste Partner für den Verkauf vor. Etliche dieser Unternehmen sind bereit, in neue Vertriebsstrukturen und Läden (Byton Places) zu investieren. Eigentlich ist alles bereit für den M-Byte, der in diesem Jahr in China seine Premiere haben sollte.
Byton vereint drei Welten
Byton ist ein erfolgreiches Beispiel für ein globales Unternehmen, dass die unterschiedlichen Kulturen und Denkweisen von Ost und West vereint und auf vier Räder gestellt hat. Mit der Softwareentwicklung im Silicon Valley, dem Designstudio in München sowie Fertigung und der Zentrale in Nanjing kam das Beste aus drei Welten zusammen.
Man kann nur die Daumen drücken und hoffen, dass die Zahlungseingänge bald erfolgen. Ansonsten droht ein unschönes Schicksal: Zerschlagung und Verkauf der Einzelteile oder die Übernahme durch einen Dritten. Die Einstellung der Geschäftstätigkeit als weitere Option ist höchst unwahrscheinlich. Mit der Fabrik und dem fast serienreifen M-Byte wurden Werte für die Mobilität von Morgen geschaffen.