Die Straße für die Elektromobilität ist geteert. An Autos mit Batterie und Elektromotor führt in der kommenden Dekade kein Weg vorbei. Die entscheidenden Fragen lauten: Wer kommt bei den Kunden am besten an? Wer verdient mit E-Autos Geld?
Die meisten etablierten Automarken entstanden zu Beginn des 20. Jahrhundert. Danach passierte wenig, zumindest was Neugründungen angeht. Somit ist es aktuell eine spannende Zeit. Tesla zählt fast schon als etablierter Autohersteller. Aber kennen Sie diese Marken: Aiways, BYD, Byton, Fisker, Lucid, MG, Nio, Ora, Polestar, Sono Motors und Xpeng?
Größte und schnellste Industrierevolution
Werden es diese Marken schaffen, ein E-Auto auf die Straße zu bringen? Sicher nicht. Aber sie bringen Bewegung in den Markt. „Der Umstieg zur Elektromobilität ist die größte, schnellste Industrierevolution, die es jemals gab. Noch nie wurde so viel Geld in einer Industrie in so kurzer Zeit ausgegeben, wie wir das jetzt machen,“ sagt Autoexperte und Investor Karl Theodor Neumann im Moove-Podcast. Sind dabei die etablierten Hersteller mit ihrem Wissen über Autofertigung im Vorteil? Oder ist es leichter ohne den Ballast der Verbrenner mit ausreichend Software-Know-how etwas Neues zu schaffen? Derzeit werden im Markt sämtliche Formen probiert: Ford teilt sich in zwei Konzernbereiche. Die deutschen Autohersteller fahren parallel. BMW war mit dem i3 einer der Ersten und ist mit der „Neuen Klasse“ ab 2025 einer der Letzten in Sachen E-Plattform aus Deutschland. Nio aus China versucht es mit einem Batteriewechselsystem. Tesla hat es mit der eigenen Ladeinfrastruktur vorgemacht. In deutlich kleinerem Maßstab versuchen das nun auch Audi, Porsche und Mercedes-Benz. Wie wichtig das Zusammenspiel von Schnelllader und E-Auto ist, kann jeder beurteilen, der schon mal mit dem E-Auto an einen weit entfernten Urlaubsort gefahren ist. Dabei ist der Aufbau von Ladestationen und die Zweigleisigkeit der Autoproduktion extrem kapitalintensiv. Selbst ein Konzern wie Volkswagen ist kein sicherer Überlebenskandidat (€), wenn die Rendite nicht stimmt und Geld für Investitionen fehlt.
Skepsis am Kapitalmarkt
Am Finanzmarkt hat sich eine heikle Situation für junge Automarken entwickelt: Die Zinsen steigen. Geld kostet plötzlich Geld. Risikokapitalgeber scheuen das Risiko und verteilen ihr Kapital anders. Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und der Notverkauf der Credit Suisse hat Schockwellen durch die Start-up-Lofts rollen lassen. Es kommt zu Domino-Effekten. Wenn es den Ersten aus einem Segment trifft, dauert es nicht lange, bis weitere Unternehmen leiden. Solar-elektrische-Auto sind dafür ein Beispiel, wobei ich gar nicht weiß, ob Lightyear oder Sono Motors den ersten Stein zum Kippen brachte.
Die haben noch keinen Namen
Lucid dagegen steht für die Start-ups, die auf Luxus und Premium setzen. Der Lucid Air kostet 159.000 Euro. Auch wenn es schon einen Showroom in München gibt, habe ich noch kein E-Auto der Marke in Deutschland auf der Straße gesehen. Kein Wunder, das die Investoren langsam nervös werden. Von einem „Blutbad“ im Unternehmen schreibt das Manager Magazin. Auch das US-Start-up Fisker, benannt nach dem dänischen Autodesigner Henrik Fisker, fährt zurück. Es reduziert seine Jahresplanung 42.000 auf 32.000 bis 36.000 Fahrzeuge. Der Fisker Ocean ist mit 67.300 Euro in der Vollausstattung zwar deutlich günstiger als der Lucid Air, aber immer noch ein teures E-Auto. Viele Interessenten zögern, weil sie die Marken nicht kennen und nicht einschätzen können, wie gut die Verarbeitungsqualität als auch die Batterie sind. Gibt es im Servicefall Ansprechpartner und Ersatzteile?
Auf halber Strecke stehen geblieben
Erste Opfer im noch jungen Markt der Auto-Start-ups hat es bereits gegeben: Byton. Das chinesische Unternehmen mit internationalem Anspruch ging auf halber Strecke das Geld aus. Ein potenzieller Geldgeber konnte aufgrund der Corona-Lockdowns nicht nach China reisen und in Nanjing die Produktionsanlagen unter die Lupe nehmen. Doch das war ein wichtiger Aspekt der Prüfung (Due Diligence). Also zog sich der Investor zurück, was ebenfalls einen Domino-Effekt auslöste. Noch bevor die Elektromobilität den Massenmarkt erreicht, werden einige Start-ups aufgeben müssen.
Wollen wir autonom fahren?
Es wird auch noch längere Zeit so bleiben, dass E-Auto teurer sind als vergleichbare Verbrenner. Mit den Schritten hin zum autonom fahrenden Auto steigen die Preise weiter. Meine Prognose: Übermorgen wird sich nicht mehr jeder ein Auto und schon gar nicht das Zweit-Auto leisten können. Warum auch? Wenn das Auto von allein fährt, darf es nicht mehr 98 Prozent der Zeit stillstehen. Es muss fahren und Geld verdienen. Für Privatkunden macht es keinen Sinn, ein autonom fahrendes Auto zu besitzen. In dicht besiedelten Gebieten unseres Landes wird sich ein vielfältiges Mobilitätsangebot entwickeln. Mobilität wird dann tatsächlich zur Dienstleistung. Man bucht sich den gewünschten Transport auf vier oder zwei Rädern. Und wenn die Fahrzeuge endlich von allein fahren, gehört ein Übel der Vergangenheit an: Die Parkplatzsuche am Ziel.