Kann man mit einem Elektroauto lange Strecken fahren? Ja, klar, wenn man Supercharger, die Schnellladesäulen mit Gleichstrom nutzt. Darum hat Tesla von Anfang an auf eine eigene Ladeinfrastruktur entlang der Autobahnen gesetzt. Um zu beweisen, wie gut das Netz der so genannten Supercharger bereits ist, veranstaltet der US-Elektroautobauer eine Rallye von Hamburg nach München.
Fans warten am Etappenziel in Kassel
Im Frühjahr 2015 geht es von Hamburg bis nach München. Ich starte in einem Model S P85D am Privathotel Lindtner in Hamburg-Harburg. Das Hotel hat mehrere Schnellladesäulen auf seinem Parkplatz installiert. Das P steht für Performance, die 85 für die Leistungsfähigkeit der Batterie in Kilowattstunden (kWh) und das Du für Dual. Das Elektroauto hat an beiden Achsen einen Motor. Der vordere leistet 224 PS, der hintere 476 PS, macht zusammen 700 PS. In 3,3 Sekunden schafft es der 2,1 Tonnen schwere Wagen von Null auf 100 km/h. Zum Zeitpunkt der Rallye gibt es 35 Schnellladestationen in Deutschland (2018 dürften es rund 60 sein). Die Supercharger befinden sich meist auf Autohöfen in Autobahnnähe mit Restaurants, Imbissen, Toiletten, Waschanlagen und WLAN. Nach einem Ladestopp an einem Musterhauspark erreichen wir kurz vor 18 Uhr den Supercharger Lutterberg. Hier stoßen weitere Tesla-Kunden dazu, einige wollen klönen, andere fahren einen Teil der Rallye mit. Wer einen Tesla fährt, gehört zu einer kleinen, eingeschworen Gemeinschaft, die sich gern mit ihresgleichen trifft und austauscht. Das merkt man auch beim Erreichen unseres ersten Etappenziels nach 360 Kilometern. In Kassel am Schlosshotel Bad Wilhelmshöhe taucht ein Tesla-Fan auf, da er auf Facebook von der Rallye gelesen hat und die Autos mal „in echt“ sehen wollte. Eine andere Frau berichtet der Tesla-Pressesprecherin wie begeistert sie vom Elektroauto ist. Sie hat im Fernsehen gesehen, dass die Elektroautos in der Stadt sind. Der Hessische Rundfunk hat kurz nach unserer Ankunft um 19 Uhr eine Live-Schalte in die Abendsendung gemacht. Dieser Wagen bewegt und begeistert einfach.
Keine Rabatte – alle zahlen das Gleiche
Auf der zweiten Etappe von Kassel nach Wiesbaden nimmt Deutschland-Geschäftsführer Philipp Schröder auf dem Beifahrersitz Platz, während ich am Steuer sitze. Beim Plaudern lässt er einige Zahlen fallen: Im März 2015 hatte Tesla mit 211 zugelassenen Fahrzeugen einen Rekordmonat, nachdem das Jahr auch in Deutschland schwach gestartet ist. Da hat man im März in der Oberklasse sogar den Porsche Panamera als auch den 7er BMW hinter sich gelassen. Während die klassischen Hersteller ihre Zahlen mit Händlerzulassungen schönen können, sind es bei Tesla „harte Zahlen“, denn es gibt keine Händler. Wagen werden nur zugelassen bzw. überhaupt erst gebaut, wenn es eine Kundenorder gibt. Auch bei Rabatten ist Tesla strikt: „Es gibt keine“, sagt Schröder, „Keine Ausnahmen.“ Die Tesla-Gemeinde ist gut vernetzt, das würde sich schnell herumsprechen und die Preise verderben. Selbst bei Flottenfahrzeugen für Unternehmen ist Tesla strikt. Doch mit der Gründung einer eigenen Leasinggesellschaft will das Unternehmen flexibler agieren, auch was Firmenfahrzeuge angeht.
Bis zu 250 km/h schnell
Nach dem ersten Ladestopp verlassen den Autohof mit einer Reichweite von 286 km. Bis zu unserem nächsten Ziel am Supercharger in Neuberg sind es 152 Kilometer, das sollte reichen. Ich bin heute morgen Beifahrer und mein Fahrer will noch Beschleunigungstests machen. Über Nacht kam ein Software-Update, laut Versionsbeschreibung sind damit Geschwindigkeiten bis zu 250 km/h möglich. Das bietet Tesla nur in Deutschland an, denn überall sonst auf der Welt existieren Tempolimits um die 130 km/h. Die irre Höchstgeschwindigkeit kann man natürlich nur auf kurzen Strecken bzw. nur für einige Minuten fahren. Zum einen saugt es die Batterie schnell leer, zum anderen drohen die beiden Elektromotoren zu überhitzen. Dann regelt die Software automatisch herunter. Trotz Update schaffen wir es nur bis 215 km/h, schneller wird der Tesla S P85D nicht. Die neue Software enthält also doch noch nicht alle Freigaben.
Kurz nach unserem Sprint erscheint im Navigations-Fenster die gelbe Warnung: „Langsam Fahren, um Ihr Ziel zu erreichen.“ Dem beugen wir uns natürlich. Das Navi zeigt uns eine alternative Route über die A5 zum Supercharger in Mücke. Mit dem Update kam auch ein erweiterter Reiseplaner. Der Fahrer gibt sein Fahrtziel ein, die Software berechnet, ob der Wagen es mit der vorhandenen Ladung schafft. Falls nicht, wird eine Route via Schnellladestation berechnet. Die errechnete Ankunftszeit berücksichtigt den Ladestopp.
Dahingleiten und der Natur zuhören
Was das Navi nicht weiß, heute ist kurz hinter Alsfeld die A5 komplett gesperrt. Wir müssen runter auf die Landstraße. Die Routenführung, die mit Google-Maps arbeitet, will uns keine Strecke über Landstraße berechnen. Das System ist auf Autobahnen und die Supercharger ausgelegt. Man kann bei der Routenplanung Autobahnen nicht ausschließen. Doch nach einigen Minuten Fahrt hat das Navi ein Einsehen und springt automatisch auf eine Bundesstraßen-Route. Die 70 Kilometer bis zum Supercharger in Neuberg sollten wir schaffen. Der Weg führt uns durch kleine Dörfer, zart grüne Wälder und vorbei am Nidda-Stausee. Eine malerische, frühlingshafte Landschaft und uns wird klar, der Tesla macht auf der Landstraße noch viel mehr Spaß. Glasdach sowie Fenster sind offen und neben den Rollgeräuschen kann man die Vögel in den Bäumen zwitschern hören. Wie auf Schienen gleitet das Elektroauto durch die Kurven des hügeligen Wetteraukreis. Den Trecker vor uns zu überholen, ist beschleunigungstechnisch zwar ein Leichtes, nur wird es bei seinen Zwillingsreifen und meiner Breite von 2,20 Meter schon etwas eng auf der Landstraße.
Am frühen Nachmittag erreichen wir Wiesbaden und treffen auf dem Marktplatz auf weitere Tesla-Besitzer. Bis hierhin stehen 812 Kilometer auf dem Display (inklusive diverser Testfahrten mit Interessenten bei den Stopps). Seit dem Start in Hamburg haben wir 231 Kilowattstunden Energie verfahren was im Durchschnitt 285 Wh/km entspricht. Ein Gefühl dafür, ob das viel oder wenig ist, hat man als Benzin-Autofahrer nicht. Doch dem Tesla-Fahrer kann es egal sein, zum einen kostet ihn der Strom am Supercharger nichts, zum anderen bezieht Tesla Ökostrom von seinen Lieferanten.
Elektroautos waren schon einmal populär
Die dritte Etappe führt von Wiesbaden nach München. Über die A5 geht es Richtung Süden und wir machen einen kurzen Stopp am Supercharger in Hirschberg, eigentlich nicht nötig, aber es geht ja um die Supercharger auf der Strecke. Schnell noch einen Kaffee geholt und nachgeschaut: In zehn Minuten hat es mein Testfahrzeug von 147 auf 233 km Reichweite geschafft. 86 km in zehn Minuten – nicht schlecht – die Schnelllader tragen ihren Namen zu Recht. Bis zum nächsten Stopp am Supercharger in Bad Rappenau sind es 63 Kilometer. Weiter geht´ s vorbei am Hockenheimring und SAP in Walldorf. Von der A5 wechseln wir auf die A6, die auch E50 heißt. Es ist die Europastraße, sie führt vom Atlantik bis zum Kaspischen Meer – einmal quer durch Europa. Wir passieren das Rhein Neckar Stadion, die Heimat des TSG 1899 Hoffenheim, auf der anderen Seite ragt die Nase einer Concorde in die Luft. Das Überschallflugzeug gehört zum Auto- und Technikmuseum Sinsheim. Hier steht auch ein Columbia, ein Elektroauto Baujahr 1904, das angeblich mal John D. Rockefeller gehört haben soll. Elektroautos sind keine Erfindung unserer Zeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fuhren in den USA 40 Prozent der Autos dampfbetrieben, 38 Prozent elektrisch und nur 22 Prozent mit Benzin. 1912 waren in den USA rund 34.000 Elektrofahrzeug von ca. 20 Herstellern zugelassen. Wie die Geschichte ausging, es bekannt: Rockefeller wurde reich mit der Standard Oil Company. An der Weiterentwicklung von E-Autos hatte er kein Interesse. Zudem dürfte die größere Reichweite der Verbrennungsmotoren im weitläufigen Nordamerika den Ausschlag gegeben haben.
Etappenziel Marktplatz in Wiesbaden: Tesla Supercharger Rallye 2015
Kein Warten am Supercharger
Wir machen vor der Ankunft in München noch einen letzten Ladestopp am Supercharger in Jettingen-Scheppach. Die Ladesäulen stehen direkt unterhalb eines Werbemasts für die klassische Tankstelle. Ganz oben hat sich ein Storch mit seinem Nest eingerichtet und blickt auf das Treiben hinab. Selbst als größere Gruppe muss keiner warten. Noch ist die Ladesituation am Supercharger entspannt. Das dürfte sich in den kommenden Jahren mit der Zunahme an Teslas ändern. Ein TV-Team macht noch ein Interview mit Rekordfahrer Michael Willberg. Der ist mit seinem Tesla Model S im März 4.000 Kilometer innerhalb von 48 Stunden durch Europa gefahren, dann beginnt das letzte Teilstück der Rallye.
Die lange Fahrt mit dem Elektroauto ist überhaupt keine Anstrengung. Zum einen sind da die Assistenzsysteme, die dem Fahrer nur noch das Lenken überlassen. Zum anderen hat die Version P85D in der Verarbeitung noch mal einen großen Schritt nach vorn gemacht. Die Sitze wurden beispielsweise im Vergleich zum P85 komplett überarbeitet. Auf unserer Tour durch die Republik war das Speichern der Sitzposition sehr hilfreich, da mein Testwagen an den Etappenstationen von diversen Interessenten bewegt wurde. Danach hatte ich mit einem Fingertipp auf meinen Namen die Außenspiegel, den Sitz und das Lenkrad wieder in der gewünschten Position. Nur der Rückspiegel muss manuell eingestellt werden. Was sich viele Fahrer noch beim Model S wünschen: eine Anhängerkupplung, Haltegriffe im Dach, insbesondere beim Aussteigen von den Rücksitzen wären die hilfreich. Was sich nicht verändert hat und ich bereits beim ersten Mal bemängelt habe, ist die Ausführung der Spiegel in der Sonnenblende. Die Abdeckung wirkt billig, lange dürfte sie nicht halten. In dieser Preisklasse erwartet man eine andere Qualität. Außerdem ist der Spiegel nicht beleuchtet.
Die dritte Etappe ist viel zu schnell beendet. Nach einer Runde um das Siegestor in der Münchner Innenstadt, endet die Rallye am Tesla Service Center in Feldkirchen bei München. Das wird von den Mitarbeitern liebevoll die Farm genannt, da das Gebäude früher landwirtschaftlich genutzt wurde. Mir fällt es wirklich schwer, den Funkschlüssel für “mein” Model S abzugeben.
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