Im Jahr 2021 wurden die Weichen für eine der herausforderndsten Reifenentwicklungen aller Zeiten gestellt: den Rekordreifen des Porsche Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket.
Das Pirelli Hauptquartier in Mailand ist weit mehr als nur eine Stätte technischer Innovation. Es ist ein Symbol für die Verbindung von Tradition und Moderne, ein Spiegelbild kultureller und künstlerischer Ambitionen. Dort, wo einst 30.000 Menschen in der Reifenproduktion gearbeitet haben, hat Vittorio Gregotti zur Jahrtausendwende das Hauptquartier neu erfunden. Über vierzig Meter hoch ragt die einseitige Glasfassade des Bürokubus auf und gibt den Blick auf den zentral integrierten Kühlturm frei. Das Relikt der früheren Produktionsstätte beherbergt heute in der Spitze den Sitzungssaal des Vorstands. Am Fuß des Turms wurde Platz für das großzügige Auditorium geschaffen. Und auch hier spielt das Leben anders.
Tradition und Innovation
Denn der Geist von Pirelli ist in dieser Ecke des Hauptquartiers vielleicht am intensivsten spürbar. Es ist ein Ort, an dem technologische Meisterleistungen und kulturelle Hingabe weit über die traditionellen Grenzen hinaus Hand in Hand gehen und neue Perspektiven eröffnen. Es ist der Ort, an dem man sich zur Mittagszeit auf die Mailänder Fashion Week verirrt glaubt. An dem frischer Teig vom Pizzabäcker durch die Luft gewirbelt wird. In dem der Duft von kräftig geröstetem Espresso in die Nase steigt und in dem die Auswahl der „dolce“ jeder Konditorei die Tränen in die Augen treibt. Es ist der Ort, der Tradition und Innovation vereint – und damit die ideale Basis für das Verständnis der Tragweite der gestellten Aufgabe ist: der Entwicklung eines Hochleistungsreifens für das Elektroauto der Superlative.
Mit einer kurzfristigen Spitzenleistung von mehr als 1.100 PS1 und der Kombination aus kompromisslosen Aerodynamik- und intelligenten Leichtbau-Maßnahmen ist der Porsche Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket exakt das.
Maßgeschneiderte Höchstleistung
In den Laboren und Werkstätten des Hauptquartiers von Pirelli darf deshalb nichts dem Zufall überlassen werden. Ingenieure, Chemiker und Mathematiker arbeiten Hand in Hand, um einen Reifen zu kreieren, der den höchsten Ansprüchen der Entwickler aus Weissach gerecht wird und fähig ist, in allen Situationen und auf allen Strecken absolute Höchstleistung zu bringen. Jedes Material wird sorgfältig ausgewählt, jede Komponente akribisch getestet. Der Reifen muss nicht nur den hohen Geschwindigkeiten und der enormen Leistung des Taycan Turbo GT standhalten, sondern auch die Effizienz und Nachhaltigkeit eines Elektroautos unterstützen. Kurz: Er muss einen breiten Spagat machen und dennoch in jeder Disziplin optimal austrainiert sein. Und die Liste der Details bei der Optimierung des Pirelli P Zero Trofeo RS ist so lang wie die tiefgreifenden Überarbeitungen am Taycan Turbo GT selbst.
Technologie und Präzision
Die doppellagige Karkasse des Trofeo RS verleiht dem Hochleistungsreifen im Vergleich zu konventionellen Pneus eine außergewöhnliche Steifigkeit. Sie ist speziell darauf ausgelegt, der aerodynamischen Performance und dem Gewicht der Batterie des Porsche Taycan Turbo GT standzuhalten. Das gewährleistet eine hohe Stabilität des Fahrzeugs, selbst bei hohen Geschwindigkeiten.
Um den plötzlichen Beschleunigungen gerecht zu werden, die mit den extrem starken Elektromotoren möglich sind, wurde neben der verstärkten Struktur ein Multi-Compound-Profil entwickelt. Die Mehrfach-Gummimischung basiert auf Pirellis patentierter Resin-Blend-Technologie, bei der die unterschiedlichen Komponenten der Polymere optimal synergetisch zusammenarbeiten, um Grip über einen breiten Temperatur- und Oberflächenbereich zu gewährleisten. Selbst bei Nässe bietet der Trofeo RS damit hohe Leistung.
Das Laufflächenprofil wurde zudem so gestaltet, dass es Fahrgeräusche minimiert und durch die Kombination aus Materialmischung und Profil den Rollwiderstand verringert, was den für den Taycan geforderten Effizienzansprüchen entspricht.
Doch das Know-how der Entwickler von Pirelli war nicht nur in Sachen chemischer Zusammensetzung des Reifens gefordert, um einen echten Rekordreifen zu schaffen. Auch die grundlegende Konstruktion des Trofeo RS wurde umfassend überarbeitet.
Um das Kontaktfeld des Reifens auch bei hohen Geschwindigkeiten zu optimieren, wurden gleich mehrere neue Konstruktionslösungen implementiert: Die äußere Schulter des Profils ist mit einer geringen Anzahl an Rillen ausgestattet, um bei starker Querbeschleunigung Unterstützung zu bieten. Das gesamte Profil ist zudem so gestaltet, dass eine schnelle und gleichmäßige Erwärmung über die gesamte Kontaktfläche gewährleistet ist.
Virtuelle Entwicklung
Um den hohen Anforderungen an den Reifen in dem vorgesehen Zeitfenster der Entwicklung gerecht zu werden, hat Pirelli den Prozess in seinen Forschungszentren angepasst. Die Entwicklung des Trofeo RS für den Porsche Taycan Turbo GT wurde durch das neue „Virtual Geometry Development“-System beschleunigt und effizienter gestaltet.
Das System vergleicht eine Vielzahl möglicher Profile und Laufflächenmodelle in einer digitalen Umgebung, um die Eigenschaften und das Verhalten des Reifens präzise zu definieren. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und neuronalen Netzen konnte Pirelli die Entwicklungszeit um bis zu 30 Prozent verkürzen und den Bedarf an physischen Prototypen um einen ähnlichen Prozentsatz reduzieren.
Auf die Prototypen wartet dann allerdings der Härtetest. Sie werden nicht nur in der schalltoten Akustik-Kammer auf möglichst geringe Abrollgeräusche optimiert, die das ruhige und komfortable Gleiten eines Elektroautos komplementieren, sondern auch bei Simulationen nach allen Regeln der Kunst gefoltert. Die unerbittlichen Belastungstests mit präziser Kraftbeaufschlagung und rigoroser Echtzeitmessung von Temperatur, Druck, Verschleiß und Haltbarkeit verlangen den Reifen alles ab – für den P Zero Trofeo RS liegen die Zielwerte so hoch wie bei keinem anderen Elektroauto-Reifen.
Nachdem die Torturen hinter verschlossenen Türen erfolgreich gemeistert sind, geht es aus den Mailänder Katakomben in den beschaulichen Odenwald südlich von Frankfurt: nach Breuberg, Heimat einer der wichtigsten Produktionsstätten von Pirelli. Hier werden die Ergebnisse der Forschungen aus Mailand mit den Modelloptimierungen und weiteren Entwicklungsvorgaben der Teams aus Stuttgart und Weissach in aufwändigen Simulationsalgorithmen überführt und mit realistischen Parametern unermüdlich auf ihre Performance abgeprüft, bis die besten Ergebnisse schließlich ihren Weg in die Fertigung finden.
Drei Rekorde auf drei Kontinenten
Und was für ein Ergebnis der Pirelli P Zero Trofeo RS Elect auf dem Porsche Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket bringt: Konsequent auf die Rundstrecke ausgelegt, hat der Taycan Turbo GT mit Weissach-Paket nach den Rekorden auf der Nürburgring-Nordschleife und dem Weathertech Raceway Laguna Seca in Kalifornien nun auch auf dem 5,4 Kilometer langen Shanghai International Circuit den ersten offiziell anerkannten Rundenrekord als schnellstes Serienauto auf der chinesischen Formel 1-Rennstrecke erzielt.
Die Fabelzeiten sind ein Beweis für die bemerkenswerte Synergie zwischen Porsches Ingenieurskunst und Pirellis Reifentechnologie. Der Schlüssel zum Erfolg ist genau die ganzheitliche Herangehensweise, die die Zusammenarbeit auszeichnet. Sie spielte eine Schlüsselrolle, um das außergewöhnliche Fahrverhalten und die Spitzenleistung speziell für den Taycan Turbo zu erreichen.
Denn Perfektion liegt nicht in isolierten Details, sondern in der Harmonie des Ganzen. Das Streben nach Exzellenz zeigt sich im perfekten Nahtverlauf des Maßanzugs, im vielschichtigen Aroma des kräftigen Schluck Espressos und in der makellosen Performance eines optimal abgestimmten Reifens wie dem Pirelli P Zero Trofeo RS Elect. Die Besessenheit vom Perfektionismus ist es, die das Team befähigt, jedes Projekt in neue Dimensionen zu heben.
In einer Welt, in der oft nur das Ergebnis zählt, erinnert uns diese Leidenschaft daran, dass der Weg dorthin mindestens genauso wichtig ist.
Info
1Zur Messmethode: https://www.porsche.com/gtr21
Dieser Beitrag erschien bei: