Inside Byton – das Welt-Elektroauto aus China

Ky-Byte von Byton

Byton ist ein Auto-Start-up aus China. So wurde das Unternehmen jedenfalls in den meisten Artikeln beschrieben, die ich vor meiner Reise gelesen habe. Nach meiner Rückkehr aus China sage ich: Selbst wenn noch keins ihrer Elektroautos auf der Straße rollt, Byton hat die Start-Up-Phase bereits hinter sich gelassen. Meine These: In wenigen Jahren wird Byton eine bedeutende Rolle im Bereich Elektromobilität spielen. Werden alle Pläne der Manager Realität, liefern sie das Welt-Elektroauto – Made in China.

Internationaler Ansatz

Dies ist keine der typischen Fernost-Stories, in denen es um Kopieren oder Kostenvorteile durch niedrige Löhne geht. “Wir sind ein internationales Unternehmen mit Wurzeln in China”, sagt Dr. Carsten Breitfeld, CEO von Byton. Er als auch der President sind erfahrene deutsche Auto-Manager. Der Designer ist Franzose mit Arbeitssitz in München. Die Konzept- und Design-Abteilung hat ihren Sitz in der bayrischen Landeshauptstadt. Hier hat Breitfeld auch mal gearbeitet. Er war Leiter des i8-Programms bei BMW. Heute steht sein Schreibtisch im Silicon Valley.

In Santa Clara wird die Software entwickelt, das User Interface Design entsteht in Los Angeles. President Dr. Daniel Kirchert und Marketing-Chef Henrik Wenders arbeiten in der Zentrale im chinesischen Nanjing. Hier entsteht auch die Fertigung. Dann gibt es noch ein Marketing- und Sales-Büro in Shanghai, Investor-Relations sitzt in Hongkong und Public Affairs hat sein Büro in Peking. “Eigentlich kann man ein Unternehmen wie unseres mit derartigen Zielen und in so kurzer Zeit nur hier in China machen,” sagt Breitfeld. 700 Leute arbeiten für Byton, schon bald sollen es doppelt so viele sein.

Rendering der geplanten Byton Fabrik in Nanjing
Rendering der geplanten Byton Fabrik in Nanjing. Links: Das Empfangsgebäude bekommt die Form des Byton-Logos

Autos gleich wieder zerstören

Dabei wurde das Unternehmen erst im Frühjahr 2016 unter dem Namen Future Mobility Corporation gegründet. Kurz darauf erfolgt die Umfirmierung in Byton, was für Bytes on Wheels steht. Das Ziel: Die Digitalisierung des Autos. Digital Power statt Horse Power ist ein weiteres Schlagwort. Im September 2017 erfolgt der erste Spatenstich auf einem 800.000 Quadratmeter großen Gelände in der Nähe des Jangtse Flusses in Nanjing, einer Stadt mit fünf Millionen Einwohnern.

Seit April 2018 ist die Prototypen-Fertigung auf dem Gelände bereits in Betrieb. Bis Jahresende rollen hier 100 Elektroautos vom Band. Viele von denen werden gleich wieder zerstört. In Crashtests müssen sie unter anderem zeigen, dass der große Bildschirm (125 x 25 cm) die Passagiere bei einem Unfall nicht verletzt. Im ersten Halbjahr 2019 startet die Vorserienproduktion und noch im gleichen Jahr sollen die ersten Elektroautos in China ausgeliefert werden. 2020 folgt die Auslieferung in den USA und kurz darauf erhalten Kunden in Europa ihre Fahrzeuge. Die hoch automatisierte Fertigung (Industrie 4.0) wird auf bis zu 300.000 Autos pro Jahr ausgelegt.

Besuch der Prototypen-Fertigung von Byton
Nach der Besichtigung der Prototypen-Fertigung in Nanjing: Oliver Strohbach (Director PR Europe, Byton), Dirk Kunde (Drehmoment), André Schmidt (PR-Agentur Dederichs Reinecke & Partner) (vlnr)

KM statt Sex

Die ersten drei Modelle basieren auf einer einheitlichen Plattform. Zur Messe CES in Las Vegas im Januar 2018 präsentieren Breitfeld und Kirchert einen SUV. Nur fünf Monate später zeigen die beiden zur CES Asia in Shanghai eine Limousine. Später folgt noch ein siebensitziger Van, den man intern als Multi Purpose Vehicle bezeichnet. Um die Modelle unterscheiden zu können, hat sich Byton, genau wie Tesla, für Buchstaben entschieden. So heißt der SUV M-Byte und die Limousine K-Byte. Ob die Buchstaben mal ein Wort ergeben werden, ist nicht bekannt. Elon Musk wollte “Sex” zusammen bekommen. Doch die Rechte für “Model E” liegen bei Ford und Tesla musste ein umgedrehtes E in Form einer 3 nehmen.

Konzeptautos in der Byton Zentrale
Byton Konzeptautos in der Werkstatthalle der neuen Zentrale in Nanjing

Byton fährt Dich

Im Gegensatz zu Tesla nutzt Byton für die drei Modelle eine einheitliche Plattform, was Kosten und Zeit sparen sollte. Byton beschreibt zwar ein weißes Blatt, meint aber nicht, alles selbst herstellen zu müssen. So kommen der Antriebsstrang von Bosch, die Batterie von CATL, der Bildschirm von BOE Technology, die Sprachsteuerung von Baidu und die Fähigkeit autonom fahren zu können von Aurora. Bei Byton konzentriert man sich darauf, das Nutzererlebnis einmalig zu gestalten. Der riesige Bildschirm, der die gesamte Front einnimmt, wird per Gesten und Sprache gesteuert. Per Gesichtserkennung schließt man sein Fahrzeug auf. In Sekundenbruchteilen (5G-Datenverbindung) werden Sitzposition, Musik, Filme, Temperatureinstellung, Vitaldaten (Herzfrequenz), Adressen und Kontakte aus der Byton-Cloud heruntergeladen.

Das ist wichtig für die dritte Säule des Geschäfts. Breitfeld beschreibt im Interview, wie er Geld verdienen will: Natürlich verleast und verkauft Byton seine Elektroautos. Sie wollen aber auch, wie im App-Store, als Mittler an digitalen Diensten verdienen. Die Dritte Säule sind Fahrdienste. Byton wird den Ubers und Didis dieser Welt Konkurrenz machen. Man wird in jeder Metropole dieser Welt Byton-Fahrzeuge per App bestellen können. Anfänglich fährt man selbst, später fährt der Wagen autonom. Das Elektroauto in Shanghai wird sich genauso “anfühlen” wie der Wagen, den man gestern Abend in München abgestellt hat.

Blick vom Shanghai Tower (c) Dirk Kunde
Blick vom Shanghai Tower auf die Stadt am Jangtse

Sensoren als Differenzierungsmerkmale

Das Bedienkonzept ist radikal anders. Das müssen potentielle Kunden ausprobieren. Da Byton auf einen Direktvertrieb setzt, werden nun mit Partnern Brand Stores eingerichtet. Zunächst sind 25 bis 30 Läden in China geplant. Hier kann man sich in das Auto setzen und erleben, wie sich die beiden Vordersitze 12 Grad zueinander drehen lassen. So können sich die Insassen besser miteinander unterhalten. Der K-Byte wird mit Level 4-Autonomomie auf den Markt kommen. In vielen Gebieten wird das Auto komplett allein fahren können. Die Kameras- und Lidar-Sensoren hat Chefdesigner Benoit Jacob nicht in der Karosse versteckt. Im Gegenteil, sie sind markante Elemente, die durch Form und Farbe noch hervorgehoben werden. Im Zeitalter des autonomen Fahrens werden Sensoren zu Differenzierungsmerkmalen, ist Jacob überzeugt.

Designer Benoit Jacob präsentiert den K-Byte von Byton
Byton Designer Benoit Jacob präsentiert in Shanghai die Limousine K-Byte

Ausreichend Geldmittel vorhanden

Soeben wurde die B-Runde abgeschlossen. 500 Millionen US-Dollar kamen in die Kasse, nachdem die A-Runde im Juli 2017 rund 300 Millionen Dollar eingebracht hatte. Zu den strategischen Investoren zählen der staatliche Autobauer First Automotive Works (FAW), TUS Holding und der Batteriehersteller CATL. Mittelfristig wird Byton an die Börse gehen. Im Juni hat Byton seine neue Zentrale auf vier Etagen im Maple Science Park in Nanjing eröffnet. Von hier dauert es eine halbe Stunde mit dem Auto zur Fertigung. An dem Bürogebäude ist nicht zu erkennen, das hier ein Autohersteller sitzt. Byton verzichtet (bislang) auf ein großes Logo oder einen Schriftzug am Gebäude. Nur das halbe Basketballfeld auf der Dachterrasse trägt den Byton-Schriftzug. Auch die Büros der beiden Vorstände sind schlicht und zurückhaltend eingerichtet.

Tencent und Foxconn als Initiatoren

Die Byton-Mitarbeiter vor Ort blicken ständig auf ihr Smartphone – eigentlich wie andere Business-Menschen auch. Sie checken ihre WeChat-Nachrichten. Über den Messenger von Tencent kommunizieren die über den Globus verteilten Mitarbeiter. Es heißt in vielen Artikeln, Tencent als auch Foxconn gehören zu den Investoren von Byton. Doch das stimmt nicht. Sie sind die Initiatoren. Changge Feng, Chairman der China Harmony Auto Holding, erzählt in der Zentrale die Entstehungsgeschichte. Vertreter der drei Unternehmen hatten die Idee für einen Autohersteller im Zeitalter der Elektromobilität. Klar war, er sollte eine internationale Ausrichtung haben. Software aus dem Silicon Valley, Ingenieurs-Know how aus Deutschland und eine Produktion in China. So ist heute das Management besetzt mit Leuten, die zuvor Erfahrungen bei Apple und Google, BMW und Tesla gesammelt haben.

Skyscraper Shanghai
Hoch hinaus: Jin Mao Tower, das World Financial Center und der Shanghai Tower im Stadtteil Pudong (vlnr)

Aufbruchstimmung in China

Hinzu kommt das irre Entwicklungstempo in China. Bei meinem Besuch in Nanjing als auch im 300 km entfernten Shanghai kann man die Aufbruchstimmung förmlich mit den Händen greifen. In Shanghai fahre ich mit der Magnetschwebebahn, die in Deutschland entwickelt aber nie realisiert wurde. Hier lasse ich vom 632 Meter hohen Shanghai Tower (zweithöchstes Gebäude der Welt) den Blick über Pudong schweifen. Die markante Skyline mit dem Fernsehturm Oriental Pearl Tower ist beeindruckend. Vor drei Jahrzehnten war dieses Gebiet gegenüber der Innenstadt noch grüne Wiese. Der Shanghai Tower hat im 125. Stock eine 1.000 Tonnen schwere Schwungmasse. Dauermagneten, in die Wirbelstürme induziert werden, wirken Schwinkungen des Gebäudes bei Sturm oder Erdbewegungen entgegen. Eine einzigartige Technik. Hier heißt es weiter, höher und schneller.

Und bei uns? Es ist nur eine Momentaufnahme, aber große Bauprojekte sorgen vor allem für Negativschlagzeilen. Der Audi-Chef sitzt in Untersuchungshaft. Volkswagen zahlt bereitwillig eine Milliarde Euro als Bußgeld für den Dieselskandal an das Land Niedersachsen. Gleichzeitig “entsorgt” der Autokonzern seinen Mann für die Zukunftsstrategie, Johann Jungwirth, von der Zentrale zurück ins Silicon Valley. Weit weg von der Zentrale, weit weg von den Entscheidungen. Porsche kauft sich zwecks Know how-Transfer bei Rimac ein. Das ist eine kleine kroatischen Manufaktur für Elektrosportwagen, die es erst seit 2009 gibt. Das Elektroauto von Morgen wird sicher nicht aus den Werkhallen der traditionsreichen deutschen Autoindustrie rollen. Vielleicht sind Deutsche an seiner Entstehung beteiligt, doch das elektrische Welt-Auto entsteht derzeit in China.

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Dirk Kunde

Elektroautos, Brennstoffzellen, stationäre Speicherbatterien, V2G, Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren – die spannendsten Entwicklungen passieren im Bereich Mobilität. Darum geht es in meinen Artikeln und Videos. Als Journalist bin ich stets auf der Suche nach neuen Ideen für Mobilität von Morgen.

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