Testrunde im M-Byte und Interview mit Byton-Vorstand Kirchert

Daniel Kirchert, Byton Vorstand, im Interview mit Drehmoment

Langsam und lautlos rollt der M-Byte vom Parkstreifen auf die Straße. Das Showcar von Byton trägt noch kein Kennzeichen, doch hier auf dem abgesperrten Gelände des Pebble Beach Golfclubs darf das Elektroauto seine Runden drehen. Der elektrische SUV ist das krasse Gegenteil zu den übrigen Fahrzeugen auf dem Gelände. Unweit der malerischen Stadt Carmel by the Sea treffen sich seit 1950 kaufkräftige Autolieber in Kalifornien. Beim Concours d´Elegance werden Verbrenner aus hundert Jahren Automobilgeschichte vorgeführt, ausgezeichnet und versteigert.

„Uns geht es darum, hier eine Vision zu zeigen, wie Autofahren morgen aussehen wird“, sagt Dr. Daniel Kirchert, President und Mitgründer von Byton. Dabei fällt natürlich als erstes der Monitor ins Auge. Mit 125 x 25 Zentimetern nimmt er die gesamte Breite ein. Steht das Fahrzeug, meint man die digitalen Inhalte würden beim Fahren ablenken. Doch auf der Testrunde wird deutlich: Man kann wunderbar über den Monitor hinweg auf die Straße schauen. Der Fahrer hat Tempo und Rückspiegel im Blick. Echte Spiegel gibt es nicht, es sind Kameraaufnahmen. In der Mitte des Monitors läuft ein Videotelefonat und vor dem Beifahrersitz erscheint eine Musikauswahl. Gesteuert werden die Inhalte über Gesten als auch Sprache. An den äußeren Enden sieht man Profilbilder. Schließlich öffnet man die Türen per Gesichtserkennung. Außerdem wird die Herzfrequenz angezeigt, sofern ich einen Sensor am Handgelenk trage. In der Türablage ist Platz als auch ein Stromanschluss für mein Smartphone. Im Lenkrad befindet sich ein Tablet für ein Einstellungen des Fahrzeugs. Das dreht sich nicht mit, wenn der Fahrer das Lenkrad einschlägt.

SUV und Limousine vorgestellt

Während viele Showcars auf futuristische und minimalistische Lenkräder setzen, ist das von Byton altmodisch kreisrund. „Das lenkt die Insassen beim autonomen Fahren am wenigsten ab, wenn es sich mitbewegt“, erklärt Kirchert. Der SUV kommt 2019 mit Level 2-3 Autonomie in China auf den Markt. Kameras, Ultraschall- und Radar-Sensoren werden viele Fahrmanöver steuern. Die Limousine K-Byte, die in Pebble Beach ihre US-Premiere feiert, kommt 2021 mit Level 4 Autonomie auf den Markt. Das System wird um Lidar-Sensoren ergänzt und stammt von Aurora. Das Auto wird die meiste Zeit, bei den meisten Wetterlagen und an den meisten Orten der Welt autonom fahren können, formuliert es Kirchert vorsichtig. 2022 folgt ein Siebensitzer, den Byton Multi Purpose Vehicle nennt. Alle drei Versionen setzten auf die gleiche Plattform, was Kosten und Komplexität senkt.

Für das 2016 gegründet Unternehmen arbeiten 1.100 Mitarbeiter aus 15 Ländern auf drei Kontinenten. „Unsere Wurzeln sind jedoch in China“, sagt Carsten Breitfeld, CEO und Mitgründer. In Nanjing befindet sich die Zentrale und hier entsteht derzeit die Fabrik. Wenn die 2021 vollständig hochgefahren ist, laufen bis zu 300.000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band. Doch Breitfeld hat sein Büro neunzig Fahrminuten von Pebble Beach entfernt im Silicon Valley. In Santa Clara werden Software und Cloud-Lösung entwickelt. Hier entsteht die Intelligent Car Experience (ICE). Andere Hersteller nennen das User Interface und User Experience (UI/UX).

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Surfen statt Fahren

„Bislang wurden Autos um den Fahrer herum entwickelt, die anderen Insassen war nur Nutzlast“, sagt der leitende Fahrzeugingenieur David Twohig. Er muss es wissen, denn er hat 26 Jahre für Renault-Nissan gearbeitet, bevor er zu Byton ins Silicon Valley wechselte. Byton will keine Autos sondern Smart Devices bauen. Der Claim „Time to be“ macht deutlich, wie man zukünftig Zeit im Auto nutzt. Nicht nur die beiden Passagiere vorne haben Zugriff auf digitale Inhalte, auch die Passagiere hinten blicken auf Monitore. „Es geht uns um Unterhaltung, Kommunikation, Arbeit erledigen als auch die Visualisierung von Gesundheitsdaten“, sagt Twohig. Bytons Fahrzeuge setzen auf die kommenden 5G-Netzwerke. Die Datenrate im Fahrzeug wird auf zehn Gigabyte pro Sekunde ausgelegt. Zentrales Element ist eine Cloud-Anbindung. Byton plant mit seinen Autos einen weltweiten Carsharing-Dienst anzubieten. Wer ein Auto in San Francisco am Flughafen abstellt, soll beim Einsteigen in München das identische Umfeld vorfinden. Gesichtserkennung, Sitzeinstellungen, Spiegel, Musik, Filme, Kontakte und Navi-Ziel werden über die Cloud abgeglichen.

Damit das sicher funktioniert, hat Byton Abe Chen im Team. Er ist Leiter der Digital Technology Sparte. Das hört sich seriöser an als Hacker, was seine Tätigkeit besser trifft. Mit seinem Team setzte er sich 2017 gegen zehn Teams beim Def Con Car Hacking Village-Wettbewerb durch. Nur wenn die Insassen der Cloud-Lösung vertrauen, werden sie ihr sensible Daten wie die eigene Herzfrequenz anvertrauen. Es geht in den Autos aber nicht nur um digitale Kommunikation. Damit die vorn Sitzenden sich besser mit den Personen auf der Rückbank unterhalten können, lassen sich die beiden Sitze um 12 Grad nach innen drehen. Damit die Füße dabei nicht gegen eine Mittelkonsole stoßen, mussten die Ingenieure den üblichen Platz für Heizung und Klimaanlage aufgeben. Die steckt nun unter der Fronthaube.

Sitze zueinander drehen

Aber nicht nur die Beinfreiheit in dem 4,85 Meter langen SUV ist faszinierend, auch der Blick nach oben durch das große Glasdach sorgt für ein Gefühl von Weite und Raum. Dabei ist der kalifornische Himmel heute komplett bewölkt. Die beiden vorderen Sitze lassen sich 12 Grad nach innen drehen, damit man sich besser mit den Personen im Fonds unterhalten kann. Damit die Beine dabei nicht gegen eine Mittelkonsole stoßen, haben die Ingenieure die Heizung und Klimaanlage unter die Fronthaube verlegt.

Der Fahrersitz bleibt bei der Testfahrt einem Byton-Mitarbeiter vorbehalten. Schließlich handelt es sich um ein Showcar, das noch weit von der Serienversion entfernt ist. Byton möchte vermeiden, dass man sich auf Beschleunigungs-, Höchstgeschwindigkeits- oder Bremsangaben fokussiert. Es geht um das Konzept eines rollendes Computers mit Internetverbindung. Die Zeit im Wagen lässt sich somit gut nutzen. Falls der Verkehr doch fließt, wird die Basisversion bis zu 400 Kilometer mit einer Batteriekapazität von 71 kWh und einem 200 kW (272 PS) starken Motor schaffen. Die erweiterte Version hat 95 kWh Kapazität, schafft bis zu 520 Kilometer. Der Motor leistet 350 kW (476 PS).

Nach jeweils einer Runde auf dem Beifahrer und dem Rücksitz ist schon wieder Schluss. Die Runden mit dem Elektroauto über den Golfplatz haben etliche Autofans von den Oldtimern abgelenkt. Auf dem Parkstreifen wird das Showcar von etlichen Interessenten umlagert, schließlich wollen sie sehen, wie die Zukunft aussieht.

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Dirk Kunde

Elektroautos, Brennstoffzellen, stationäre Speicherbatterien, V2G, Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren – die spannendsten Entwicklungen passieren im Bereich Mobilität. Darum geht es in meinen Artikeln und Videos. Als Journalist bin ich stets auf der Suche nach neuen Ideen für Mobilität von Morgen.

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