“Es ist ihre Entscheidung, ob sie ins Boot steigen, doch der Zug verlässt demnächst den Bahnhof“, sagt Luca de Meo. Das Bild, das der Renault-CEO hier zeichnet, ist zwar etwas schief, doch deutlich: Renault wird sein Geschäft mit E-Autos und klassischen Verbrennern trennen – egal ob die Partner aus der Nissan-Mitsubishi-Allianz hier mitziehen. Im Interview mit Bloomberg TV spricht de Meo ab Minute 4:11 über seine Pläne. Man habe den Partnern das Vorhaben offen dargelegt und angeboten mitzuziehen, so der Italiener.
Renault will nach dem Ford-Vorbild die Zukunftstechnologien Vernetzung, E-Antrieb und automatisiertes Fahren vom Verbrennergeschäft trennen. Dazu suche de Meo neue Partner, die nicht zwingend aus dem Automobilgeschäft stammen müssen.
Eine Allianz der Überkreuzbeteiligungen
Die Dreier-Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi ist ein Krisenprodukt. Vor knapp 23 Jahren sicherte Renault mit seinem Einstieg bei Nissan das Überleben des japanischen Autoherstellers. Die Franzosen beteiligten sich mit rund 44 Prozent, während später Nissan lediglich 15 Prozent der Anteile von Renault übernahm. Nissan hält 34 Prozent an Mitsubishi Motors. Dieses Ungleichgewicht der Überkreuzbeteiligungen sorgte bei den Beteiligten immer wieder für Unmut. Zumal heute Nissan deutlich mehr Autos verkauft als Renault. Doch die eiserne Hand des ehemaligen CEO Carlos Ghosn sorgte jahrelang für Ruhe innerhalb der Allianz. Er leitete zeitgleich Renault und Nissan. Doch mit seiner Verhaftung 2018 und der filmreifen Flucht aus Japan 2019 endete seine Regentschaft. Danach brachen innerhalb der Allianz die Machtkämpfe offen aus.
Renault, Nissan und Mitsubishi teilen sich die Welt auf
Nachdem die Chefposten neu besetzt sind, präsentiert die Allianz im Frühjahr 2020 das Leader-Follower-Programm. Jeweils eine Marke übernimmt die Führung für ein Modell bzw. eine Region. Weniger Plattformen, mehr gemeinsame Bauteile und einer hat das Sagen pro Modell. Ein Unternehmen entwickelt als Leader das “Mutter”-Auto und die anderen machen daraus “Schwester”-Fahrzeuge in ihren Märkten. So gilt beispielsweise der Renault Kangoo als Vorbild für die Transporter und der Nissan NV200 übernimmt die Plattform sowie Bauteile. “Ein Drittel der Fahrzeugkosten entfällt auf die Plattform. Wir werden die Standardisierung der Aufbauten weiter vorantreiben”, sagte Jean-Dominique Senard, der damalige Präsident von Renault bei der Präsentation. So will die Allianz 40 Prozent der Entwicklungskosten sparen. Beispiel Brasilien: Hier werden sechs Modelle auf vier Plattformen gebaut. Demnächst gibt es nur noch eine Plattform für sieben Fahrzeugmodelle. Bis 2025 sollen knapp die Hälfte aller Allianz-Modelle auf Basis des „Leader-Follower“-Programms entwickelt und produziert werden. Dazu hat die Allianz die Welt unter sich aufgeteilt. Nissan verantwortet Japan, China und die USA. Mitsubishi Motors verantwortet die ASEAN-Staaten und Ozeanien. Renault übernimmt Europa, Russland, Nordafrika und Südamerika. Inzwischen musste sich Renault aus Russland zurückziehen, was einen Rückgang von knapp 30 Prozent bei den Verkaufszahlen zur Folge hatte.
Meinungsverschiedenheiten bei Zukunftstechnologien
Zum Zeitpunkt als das neue Programm vorgestellt wurde, waren Aufteilung und Nutzung der Patentrechte noch nicht endgültig geklärt. Nissan übernahm die Führung bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Auch die Zukunftsplattform CMF-EV sollte in der Verantwortung von Nissan liegen. für Renault blieb die Architektur der Plattformen CMF-A/B. Die werden beispielsweise vom Nissan Juke und dem Renault Clio genutzt. Das dürfte de Meo nicht gefallen haben, basiert doch sein neues Zugpferd, der Renault Megan E, auf der CMF-EV-Plattform.
Nissan gehört zwar mit dem Leaf zu den Pionieren der Elektromobilität. Doch bei der Entwicklung des Ariya wurde viel Zeit verloren und nach einem ersten Fahreindruck, war ich von dem E-Auto enttäuscht. Den Renault Megan E bin ich noch nicht gefahren. Luca de Meos Vorstoß ist nachvollziehbar. Er sieht die Zukunftschancen für Renault schwinden und möchte sich mit neuen Partnern besser positionieren. Bei der zunehmend starken Konkurrenz durch chinesische Hersteller ein sinnvolles Vorgehen.