Es ist noch dunkel auf der Rennstrecke Las Vegas Speed, als ich im Audi E-Tron Platz nehme und eine Oculus Rift aufsetze. Sechs Uhr morgens ist eigentlich zu früh für Weltraumabenteuer. Doch die Erfahrung im E-Tron entschädigt für das frühe Aufstehen. Gemeinsam mit Iron Man und dem sympathischen Waschbären Rocket aus Gardians of the Galaxy rette ich während der Fahrt eben diese Galaxie. Durch Blickkontakt und einem Controller in meiner Hand schieße ich feindliche Raumschiffe als auch Asterioden ab. Dass mir bei der Fahrt über die Rennstrecke mit bis zu 144 km/h nicht schlecht wird, ist die eigentliche Neuerung. Die Spieleentwickler übernehmen die Bewegungsdaten des Fahrzeugs ins Spielgeschehen. Das Raumschiff beschleunigt oder bremst, wenn es der Wagen tut. Gleiches gilt für Kurven. Das sonst übliche Schwindelgefühl bleibt aus, da visuelle Eindrücke und Fliehkräfte übereinstimmen. Das fehlende Motorengeräusch im batterie-elektrische E-Tron trägt zum perfekten Weltraum-Eindruck bei.
Kooperation mit Marvel Studios
Weltraum-Waschbär Rocket gehört zum Marvel-Universum. Zu dem Studio haben die Ingolstädter einen guten Draht. Bereits 2008 fuhr Unternehmer Tony Stark aka Iron Man einen Audi R8, wenn er nicht gerade flog. Gemeinsam mit Marvel entwickelte Audi das VR-Spiel „Rocket’s Rescue Run“. Noch ist es eine Demo-Version, doch in den kommenden drei Jahren sollen derartige Spiele für handelsübliche VR-Brillen verfügbar sein. Neben Weltraumabenteuer könnten es Flüge durch den Körper, Wettrennen oder die Vorbereitung auf ein Urlaubsziel sein.
Holoride als offene Plattform
Die drei Macher auf Audi-Seite sind so von ihrer Idee überzeugt, dass sie ihre Jobs beim Autohersteller aufgeben werden und die Geschäftsführung eines Start-ups wechseln. Mit von der Partie ist Nils Wollny, bislang Leiter Digital Business bei Audi. „Wir sind von den Möglichkeiten überzeugt und wollen auch andere Autohersteller von der Idee begeistern“, sagt Wollny am Rande des Events. Audi hält neben den drei Gründern eine Minderheitsbeteiligung an der Ausgründung mit dem Namen Holoride. Bis Ende des Jahres will Holoride ein SDK veröffentlichen. Die Technologie für VR-Spiele im Auto wird als offene Plattform angelegt, so dass alle Inhalteanbieter und Autohersteller sie einsetzen können. Die Spiele werden dabei in der Hardware der VR-Brillen gespeichert. Sie müssen nur noch die lokalen Fahrzeugdaten übernehmen. „Diese Schnittstelle ist bislang für Dritte geschlossen. Doch genau daran arbeiten wir“, sagt Wollny als zukünftiger CEO von Holoride.
Elastische Inhalte für Autofahrten
Das Start-up wird seinen Sitz in München haben. Die Zusammenarbeit mit Marvel wollen die Gründer noch intensivieren, schließlich ist das Studio Teil des Disney-Konzerns. „Für uns ist das auch eine neue Welt, doch mit den Marvel- sowie den übrigen Disney-Charakteren verfügen wir über attraktive Inhalte,“ sagt Mike Goslin, Vice President von Disney Games and Interactive Experience im Gespräch mit Golem. Der Manager ist vom Ergebnis des „Rocket’s Rescue Runs“ genauso begeistert wie Wollny. „Man kann einen Film im Auto schauen, aber eigentlich gehört er ins Kino oder auf den Fernseher“, sagt Wollny, „Aber ein Spiel, dass die Fahrdaten mit einbindet, ist perfektes Entertaiment.“ Er spricht von „elastischen Inhalten“, die eine Autofahrt für alle, die nicht am Lenkrad sitzen, unterhaltsamer machen. Je autonomer die Fahrzeuge werden, desto mehr Zeit haben Passagiere für Entertainment-Angebote. Holoride sieht den Einsatz seiner VR-Spiele aber nicht nur im privaten Auto, sondern auch bei Fahrdiensten. Taxen, Uber oder Lyft könnten ihren Kunden damit einen zusätzlichen Service bieten.
Noch ist das längere Tragen einer VR-Brille – vor allem als Brillenträger – etwas unangenehm. Doch die Holoride-Macher rechnen mit großen Sprüngen, was Größe, Gewicht und Komfort der Brillen angeht. Sollten die Autohersteller das Holoride-Angebot annehmen, gehört die Frage von der Rückbank „Sind wir bald da?“ mit Sicherheit der Vergangenheit an.