Polestar 3: Das rollende Massagestudio

Polestar 3

Was macht eine Autofahrt angenehm? Wenn Sie meine Tochter fragen, lautet die Antwort: “Die Massagefunktion in den Sitzen” Erstaunlich für eine 22-jährige. Aber auch junge Leute mögen es komfortabel. Genau das bietet der Polestar 3. Damit ist der elektrische SUV perfekt für lange Autofahrten.

Sitze und Lenkrad sind beheizt, im Sommer schaltet man die Lüftungsfunktion ein. Nur beim Bedienkonzept der Sitze überrascht die schwedisch-chinesische Marke. Während man Heizung und Lüftung über den Bildschirm in der Mitte aktiviert, muss man für die Massage zunächst auf den Knopf für die Sitzeinstellung drücken. Dazu gleitet die Hand nach links unten (Fahrer) oder rechts unten (Beifahrer) an den Rand der Sitzfläche.

Mit diesem (Dreh-)Knopf stellt man die gewünschte Sitzposition ein. Ein Druck auf den Knopf, aktiviert auf dem Bildschirm die Massagefunktion. Hier hat man die Wahl zwischen den Programmen A bis E in den Geschwindigkeiten und Intensitäten 1 bis 3. Die Buchstaben sagen einem nichts, also muss man alle Programme ausprobieren. Nach jeweils 20 Minuten endet ein Programm und man kann zum nächsten Buchstaben wechseln. Die Unterschiede bei den Programmen fallen gering aus und selbst auf höchster Stufe ist es eher eine sanftes “Milchtreten” von Katzenpfoten als harte Hände eines erfahrenen Masseurs. Aber es macht lange Autofahren deutlich entspannter. Lediglich im Stand ist das Geräusch der elektrischen Motoren im Sitz etwas störend. Aber sobald das Radio läuft oder man auf der Autobahn unterwegs ist, hört man sie nicht mehr.

Polestar 3

Reichweite

So praktisch der Komfort ist, Reichweite spielt vermutlich die entscheidende Rolle beim E-Auto. Bei der Dual Motor Long Range Version wird sie mit 636 km (WLTP) angegeben. Um das bei einer Batterie mit 111 kWh hinzubekommen, müsste der Verbrauch bei 17,45 kWh pro 100 km liegen. Aber das kennt man ja schon und es gilt für alle E-Autos: Beim WLTP-Testzyklus wird 30 Minuten gefahren und auch nicht schneller als 130 km/h. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt im Test bei 46,5 km/h. Mit der Realität hat der WLTP-Standard nichts zu tun. Der Wert dient lediglich dem Vergleich unterschiedlicher Modelle.

Polestar gibt den WLTP-Verbrauch beim SUV mit 19,6 bis 21,8 kWh/100 km an. Hier sind auch Ladeverluste mit einkalkuliert. Aber die Realität sieht immer noch anders aus. Ich war mit Winterreifen unterwegs, bei einstelligen Celcius-Graden und trockener Fahrbahn. Auf der Autobahn zeigt mir die Auswertungen einen Durchschnitt von 28,1 kWh auf 100 km an. In der Stadt lag er bei 23,3 kWh auf 100 km. Man kann darüber streiten, ob das für ein E-Auto mit einem Leergewicht zwischen 2.579 und 2.623 kg (je nach Ausstattung) viel oder wenig Energie ist.

  • Verbrauch Polestar 3
  • Verbrauch Polestar 3

Für die Diskussion hilft ein Blick auf den cW-Wert, der Luftwiderstandsbeiwert liegt bei 0,29. Mit 1,61 m ist der Wagen hoch, die Stirnfläche dürfte 2,86 Quadratmeter betragen (Höhe x Breite x 0,9). Dazu rollt er auf 21 Zoll Rädern.

Mein Testwagen zeigte bei 100-prozentiger Ladung eine Reichweite von 430 km an. Das sind 206 km weniger als in der Broschüre. Gehe ich von meinem Autobahnverbrauch in Höhe von 28,1 kWh aus, sind bei 111 kWh rechnerisch 395 km Gesamtreichweite möglich. Das ist Umsteigern in die Elektromobilität schwer zu erklären, warum auf einmal mehr als ein Drittel der Realität im Vergleich zur Broschüre fehlt. Hier hat die gesamte Elektromobilitätsbranche noch ein Kommunikationsproblem.

Schnell nachgeladen

Beim Ladestopp am HPC-Lader von EnBW lag die maximale Ladeleistung bei 190 kW. In der Spitze sollten laut Broschüre 250 kW drin sein. Egal, die angegebene Dauer von 30 Minuten für eine Ladung von 20 bis 80 Prozent wurde eingehalten. In dieser Zeit hat das Auto 67,8 kWh nachgeladen, was ziemlich genau der Differenz zwischen den Werten von 20 % (22,2 kWh) bis 80 % (89,0 kWh) entspricht.

Polestar 3

Ein großes Ding

Auch wenn der Polestar 3 in gar nicht so groß wirkt, ist es ein ausgewachsener SUV. Das bedeutet in der Stadt: Nicht jede Parklücke kommt in Frage. Der Polestar 3 misst in der Länge 4,90 m und benötigt mit beiden Spiegeln eine Breite von 2,12 m. Da wird das Aussteigen nach dem Einparken gern mal zum vertikalen Limbo.

Zum Öffnen des Fahrzeugs bekam ich eine Plastikkarte. Natürlich kann man, wenn man den Wagen besitzt, auch einen Funkschlüssel oder die App auf dem Smartphone nutzen. Beides würde ich der Karte vorziehen. Ich fand sie enorm unpraktisch. Es war stets ein wildes Gewische mit der Karte auf dem Türgriff, bis ich den richtigen Punkt hatte, um die Griffe ausfahren zu lassen.

Vielleicht lag es an den Einstellungen, aber ich konnte den Polestar 3 mit der Karte nur an der Fahrertür öffnen. Blöd, wenn man zuerst etwas in den Kofferraum legen will oder die Kinder hinten einsteigen lässt. Außerdem hatte ich ständig die Sorge, die Karte könnte in der Hosentasche mit dem Smartphone Schaden nehmen. Vermutlich eine unberechtigte Sorge. Aber in der Geldbörse war die Karte auch schlecht aufgehoben, weil ich sie zum Öffnen der Türen stets entnehmen musste.

Wenn man auf dem Fahrersitz Platz nimmt, ist der Wagen direkt eingeschaltet. Stockhebel rechts vom Lenkrad auf D drücken und es geht los. Will man den Fahrassistenten aktivieren, noch mal den Hebel in Richtung D herunterdrücken. Dann hält das Auto Tempo, Abstand und Spur. Leider kann man beim Polestar 3 nicht den Abstand zum Vorausfahrenden in Stufen einstellen. Man muss akzeptieren, was das Fahrzeug für richtig hält (errechnet hat).

  • Polestar 3
  • Polestar 3

Ausreichend Stauraum

Ich habe mich mal hinter meinen Fahrersitz auf die Rückbank gesetzt. Wow, da ist dann noch ausreichend Beinfreiheit für einen 1,85 m großen Menschen. Hier spiel der Radstand von 2,99 m seine Vorteile für die Passagiere aus.

Der Kofferraum fasst 484 Liter (bis zu den Rücksitzlehnen). Der Koffraumboden kann so gefaltet werden, dass Einkäufe nicht verrutschen. Zudem ist ein Staufach unter dem Boden. Legt man die Rückenlehne (60:40 geteilt) um, hat man 1.411 Liter an Stauraum.

Natürlich passt auch noch etwas unter die Fronthaube. Das Fach mit den Maßen 49 mal 72 cm wird von einer Falttklappe verdeckt. Sie schützt den Inhalt vor Verschmutzung. In das 32 Liter fassende Fach passt das Typ 2-Ladekabel oder anderes Gepäck.

Was mir gar nicht gefällt, ist das Öffnen des Handschuhfachs über das Menü auf dem Bildschirm. Es gibt keinen Knopf. Zwei weitere Knöpfe hat man in der Armlehne des Fahrers eingesparrt. Statt vier sind es zwei Knöpfe für die Fenster. Will man die hinteren Fenster öffnen, muss man erst einen Umschalter drücken. Ja, genau wie in den ID-Modellen von Volkswagen. Und schon da fand ich das irre unpraktisch.

Sicheres Auto

Während der Mutterkonzern Volvo alle seine Modelle bei Tempo 180 aus Sicherheitsgründen begrenzt, darf die Performance-Marke etwas schneller unterwegs sein. Der Polestar 3 mit den zwei Motoren kann bis zu 210 km/h fahren. In der jüngsten Testrunde der Prüfstelle Euro NCAP erzielte der SUV eine Fünf-Sterne-Bewertung. Bei den Fahrzeugtests in vier Kategorien – Erwachsene, Kinder, gefährdete Verkehrsteilnehmende und Sicherheitsassistenzsysteme – erhielt der Polestar 3 fünf Sterne in allen Kategorien und eine Gesamtbewertung von 87 Prozent.

Polestar Modellpalette

3 oder 4 ganz vorn?

Wer den Polestar 2 kennt, findet sich aber nicht gleich im Polestar 3 zurecht. Polestar hat das Bedienkonzept komplett überarbeitet. Das gilt auch für den Polestar 4, was sich bereits im Querformat des zentralen Bildschirms manifestiert. Im Polestar 3 ist es das bekannte Hochkant-Format.

Für mich wirkt in der aktuellen Polestar-Modellpalette das 4,84 m lange SUV Coupé Polestar 4 als Flaggschiffmodell. Doch weit gefehlt. Der Polestar 3 ist das teurere Aushängeschild. Die Version mit Allradantrieb startet ab 81.590 Euro. Beim Polestar 4 geht es schon bei 65.900 Euro los.

Das Ergebnis sieht man in den Zulassungszahlen vom Kraftfahrtbundesamt. Im ersten Quartal des Jahres wurden 393 Polestar 4 und gerade mal 24 Polestar 3 zugelassen (gesamt 855). Überraschend, denn der Polestar 3 ist der günstigere Volvo EX90, der erst bei 91.700 Euro (mit zwei Motoren) beginnt. Beide Fahrzeuge teilen sich die SPA II-Plattform (Scalable Product Architecture) aus dem Hause Volvo sowie etliche sichtbare Bauteile (Lenkrad, Stockhebel, Fahrerdisplay, Fensterheber und mehr). Der Polestar 4 nutzt bereits die neuere SEA-Plattform (Sustainable Experience Architecture) des chinesischen Mutterkonzerns Geely. 

  • Polestar 3
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Dabei verzeichnet Polestar in Deutschland nach dem Wechsel des Top-Managements Wachstum beim Absatz. Im ersten Quartal 2025 wurden 35,5 Prozent mehr Fahrzeuge zugelassen als im Vergleich des gleichen Vorjahresquartals. Global liegt der Anstieg sogar bei 76 Prozent. In den ersten drei Monaten verkaufte Polelstar weltweit 12.304 Fahrzeuge. Eventuell greift hier bereits die Umstellung des Vertriebsmodells.

Wir sind auf dem richtigen Weg und tun die richtigen Dinge. Ich freue mich über die Fortschritte unseres operativen Geschäfts. Mit einem aktiveren Vertriebsmodell, mehr Handelspartnern und attraktiven Fahrzeugen liefern wir Ergebnisse“, sagt Michael Lohscheller, CEO von Polestar. Im März 2025 erfolgte der Wechsel auf ein “unechtes” Agenturmodell. Geplant ist eine Verdoppelung von derzeit 9 auf 17 Verkaufstandorte. Von denen sollen die ersten fünf bis Mitte des nächsten Jahres fertiggestellt sein. Zukünftig wird das Vertriebsnetz zusätzliche Regionen neben den Metropolen Deutschlands umfassen. Aktuell sind in Deutschland über 21.000 Fahrzeuge von Polestar auf den Straßen.

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Dirk Kunde

Elektroautos, Brennstoffzellen, stationäre Speicherbatterien, V2G, Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren – die spannendsten Entwicklungen passieren im Bereich Mobilität. Darum geht es in meinen Artikeln und Videos. Als Journalist bin ich stets auf der Suche nach neuen Ideen für Mobilität von Morgen.

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