Zwei Monate im Herbst konnte ich den Nissan Leaf mit einer 40 kWh-Batterie testen. Das Elektroauto der Japaner gibt es bereits seit 2010. Es zählt mit 365.000 verkauften Stück zu den weltweit erfolgreichsten Elektroautos.
Mein Testwagen gehört zur zweiten Generation. In der Variante Tekna ist das Kompaktfahrzeug mit ProPilot (Autopilot), ParkPilot (Einparkhilfe), Lenkrad- und Sitzheizung extrem gut ausgestattet.Rapidgate auf der Autobahn
Was sich bei meiner ersten Fahrt über die Autobahn kaum bemerkbar macht, schlägt bei meiner Fahrt in die Niederlande voll zu: Rapidgate. So nennen die Nutzer im Internet die Reduktion der Ladeleistung beim Leaf, wenn er mehrmals am Tag an einen Schnelllader angeschlossen wird.
Zwei Mal Laden am Tag geht. Die Ladeleistung bleibt zwischen 30 und 45 kW (bei 50 kW Nennleistung). Doch ab der dritten Schnellladung mit Gleichstrom sinkt die Ladeleistung bis auf 12 kW. Da wird der Ladestopp quälend langsam.
Dabei dient das Drosseln der Ladeleistung dem Schutz der Batterie. Der Energiespeicher erwärmt sich bei schnellen Autobahnfahrten (es wird viel Energie vom Motor gefordert). Gleich gilt für das Schnellladen. Wenn mit Gleichstrom wieder aufgeladen wird, erwärmt sich die Batterie ebenfalls. Die darf aber nicht für längere Zeit über einer bestimmten Temperaturmarke betrieben werden. Zum Schutz fährt die Software die Ladeleistung runter. Doch der Akku im Nissan Leaf verfügt nur über eine passive Luftkühlung. Das Absenken der Temperatur dauert lange.
Eine passive Luft- statt einer aktiven Flüssigkeitskühlung senkt den Preis des Fahrzeugs. Doch belastet sie die Nerven der Insassen bei langen Fahrten mit mehreren Schnellladestopps. Was besonders nervt: Die Passivität, zu der man als Fahrer verdammt ist. Man kann fast nichts zum Abkühlen der Batterie beitragen – da bleibt nur langsamen weiterfahren (ca. 100 km/h im Windschatten eines größeren Fahrzeugs).
Zugriff per App auf den Nissan Leaf
Per App die Restreichweite abzurufen oder schon mal die Routenplanung für die nächste Fahrt ans Fahrzeug zu senden, ist extrem praktisch. Mein Highlight was das Vorheizen (oder Vorkühlen) des Nissan Leafs. Eine großartige Funktion. Aber: Die App reagiert träge und manchmal auch gar nicht. Selbst mit bestem WLAN- oder Mobilfunk-Empfang (LTE) dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis die App einen Befehl umsetzt. Nissan hat bereits angekündigt, in 2019 wird die App überarbeitet.
Fazit und Ausblick auf die dritte Generation Leaf
Im Kompaktbereich war der Leaf als Elektroauto lange Zeit konkurrenzlos. Doch mit dem Hyundai Kona, dem Kia Nero und dem Model 3 von Tesla wird dieses Segment belebt.
Ich halte den Leaf für kein Design-Highlight im Autobau. Doch technisch ist er eine Meisterleistung. Hier merkt man, dass die Japaner schon etliche Jahre Erfahrung mit batterie-elektrischen Autos haben.
Gut, das sieht man auch dem Armaturenbrett an. Hinter dem Lenkrad teilt sich ein analoger Tacho mit einem Display den Platz. Die Gestaltung und Benutzerführung beim größeren Display in der Mitte wirkt inzwischen etwas altbacken Hier freut man sich auf eine Überarbeitung.
Ausblick auf den Leaf e+ mit 62 kWh
Nissan hat am Rande der Messe CES in Las Vegas den Nissan Leaf e+ angekündigt. Das Fahrzeug kommt Mitte 2019 auf den Markt, für Europa sind nur 5.000 Stück vorgesehen. Der e+ hat eine 62 kWh Batterie für 385 km (WLTP), 100 kW Ladeleistung und 160 kW (217 PS) Motorleistung. Durch die größere Batterie wird der Leaf etwas höher. Leider bleibt es bei der passiven Luftkühlung und vermutlich auch bei Rapidgate. Angeblich versucht Nissan das Problem mit Software in den Griff zu bekommen. Beim Gespräch auf der Messe sagte mir der amerikanische Nissan-Pressesprecher, dass die meisten Nissan-Käufer sehr selten das Auto auf langen Strecken fahren und somit den Leistungsabfall gar nicht zu spüren bekämen. Das kann ich kaum glauben. Wenn der Leaf mein einziges Fahrzeug ist, dann unternehme ich mehrfach pro Jahr Fahrten über 500 km und bekomme sehr wohl die Auswirkungen von Rapidgate zu spüren.
Die weitere Entwicklung für Nissan mit seinem Leaf in Europa wird spannend. Rapidgate ist ein echte Hürde, bei einem ansonsten gelungenen Elektroauto.
Dann ist da noch der Chademo-Ladestecker. Eigentlich ist gegen den nichts zu sagen und die meisten öffentlichen Schnelllader haben so einen Stecker. Die große Frage lautet: Wie lange noch? Teslas Model 3 setzt auf CCS. Auch Hyundais Kona und Kias Nero kommen mit CCS-Anschluss nach Europa. Bleibt nur noch die Renault-Nissan-Allianz, die auf Chademo setzt. Sinken hier die Zulassungszahlen, könnten sich die Ladesäulenbetreiber ganz schnell überlegen, den Chademo-Anschluss weg zu lassen. Dann wäre nicht mehr die Dauer des Ladestopps das Problem, sondern das Finden einer geeigneten Schnellladesäule.