Das erste Mal habe ich im Sommer 2020 über den Nissan Ariya geschrieben. Alle waren gespannt auf das große E-Auto. Immerhin ist der Autohersteller ein Frontrunner der Elektromobilität. Mit dem Leaf haben die Japaner Maßstäbe gesetzt. Da war man extrem gespannt, was nun folgt.
Doch zunächst brach firmenintern das große Chaos aus. Im Herbst 2018 wurde Carlos Ghosn mit Betrugsvorwürfen verhaftet und in Japan inhaftiert. Was folgt ist kinoreif… Doch die Verhaftung viel in die entscheidende finale Phase der Ariya-Entwicklung. Bei Nissan brach ein interner Machtkampf um die Unternehmensführung aus. Da bleiben wohl einige Arbeiten an den Autos liegen.

Technischen Vorsprung verspielt
So musste ich mich bis März 2022 gedulden, um den Ariya das erste Mal zu fahren. Da hatte das Auto aber noch keine Straßenzulassung für Europa. Also fand die Fahrveranstaltung auf dem Circuito del Jarama, der Rennstrecke vor den Toren Madrids, statt. Der Artikel bei Golem dazu trug die Überschrift: Ein E-Pionier verspielt seinen Vorsprung. Ein Video bei Drehmoment gibt es von dieser Proberunde auch.
Entsprechend „vorbelastet“ ging ich in meinen Sommertest 2025. Der Wagen ist nun bereits seit drei Jahren auf dem Markt. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden bislang 3.169 Exemplar* in Deutschland zugelassen. Eine übersichtliche Zahl, so dass man das E-Auto nicht allzu oft im Straßenverkehr zu sehen bekommt. Dabei fällt der Ariya durchaus auf: Sei es durch die zweifarbige Lackierung oder seine Größe (4,60 m lang, 1,85 m breit und 1,65 m hoch).
Groß und schwer

Meine Testversion ist ein Allrad e-4force mit dem Evolve Pack. Die Systemleistung liegt bei 225 kW und 600 Nm Drehmoment. Der Wagen ist in 5,7 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Klar, es dauert etwas, bis 2.315 kg beschleunigt werden. Der cW-Wert liegt bei 0,30. Entsprechend hoch ist der Verbrauch, bei meiner Sommertour liegt er bei 21,4 kWh auf 100 km. In der Broschüre steht ein WLTP-Wert von 20,4 kWh.
Damit soll der Wagen bis zu 513 km schaffen. Bei mir lag die höchste Anzeige bei 462 km mit 100 Prozent geladener Batterie. Dabei bin ich die Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h nie gefahren. Meine Route führte mich von Hamburg in die Niederlande. Auf der deutschen Autobahn war für das Tempo zu viel los oder es gab ein Tempolimit. In den Niederlanden ist nicht mehr als 130 km/h erlaubt.

Praktisch fand ich die Unterbringung unseres Gepäcks. Ein Fusskick unter das hintere Kennzeichen und die Heckklappe öffnet. Dann stehen mir 415 Liter zur Verfügung. Mit umgeklappter Rückbank werden es 1.280 Liter. Für meine Zwecke reicht das vollkommen aus. Leider gibt es unter der Fronthaube keinen Stauraum für das Typ 2 Ladekabel. Schade.
Wechselstrom-Laden mit 22 kW
Dafür kommt der Testwagen mit einem 22 kW Onboard-Charger. Das ist großartig. Denn die meisten öffentlichen Ladesäulen am Straßenrand liefern diese Ladeleistung. Gleichzeitig gibt es Höchstladedauern, doch mit 11 kW bekommt man die 87 kWh Batterie rechnerisch in rund acht Stunden komplett geladen – zu lang. Der Ladeanschluss ist vorn rechts, was für Laternenparker praktisch ist.
Fährt man an die Schnellladesäule, werden maximal 130 kW Ladeleistung erreicht. So dauert es rund 35 Minuten von 10 bis 80 Prozent SoC. Was mich wundert: Es gibt im Menü keine Ladebegrenzung, also dass der Wagen nur bis 80 Prozent lädt und dann den Ladevorgang beendet. Zudem habe ich weder in der App noch im Menü eine Anzeige der Ladeleistung während des Ladens gefunden. Ich weiß einfach nicht, mit wie viel Kilowatt geladen wird. Das ist schon eine nützliche Information. Entweder gibt es die wirklich nicht oder ich war extrem blind.
Schnellladen dürfte schneller sein
An dieser Stelle macht sich der lange Anlauf des Ariya bemerkbar. 2020 waren 130 kW Ladeleistung ein toller Wert. 2025 sind sie es nicht mehr. Das ist die Krux der Elektromobilität: Die technische Weiterentwicklung hat nach wie vor ein hohes Tempo. Mittlerweile gilt 2C, also doppelte Ladegeschwindigkeit in Bezug auf den Wert der Batteriekapazität als Standard. Hier müssten es also 174 kW sein.
Ebenfalls etwas veraltet wirkt das Bildschirmmenü. Dabei könnte man das über ein Update beheben. Einstellungen zum Auto sind schwer zu finden. In der Navigation gibt es eine Anzeige für den laufenden Musiktitel. Doch die lässt nur so wenige Zeichen zu, dass ich ständig raten muss, wer da singt oder wie der Titel genau heißt.
Das Navi arbeitet mit Google, doch habe ich bei allen Fahrt Google Maps auf dem Smartphone mitlaufen lassen. Das Fahrzeugsystem hat konstant spätere Ankunftszeiten angezeigt. Bei jeder Verkehrsbehinderung hat der Ariya eine Umleitung vorgeschlagen, was das Smartphone nicht tat (lediglich ein Anzeige: + 5 min). Die Ladeplanung, also eine Anzeige von Ladestationen auf der Strecke entspricht auch nicht den Erwartungen. Sobald ein Ladestopp notwendig war, habe ich lieber auf dem Smartphone nach geeigneten sowie freien Ladesäulen gesucht.

Das Handschuhfach beim Beifahrer ist recht klein. Dafür gibt es in der Mitte noch ein Staufach, das elektrisch öffnet und schließt, wenn man die Druckflächen in der Mittelkonsole nutzt. Hier kann man auch den Fahrmodus ändern und das ePadal aktivieren (fahren mit nur einem Pedal bei hoher Rekuperationsleistung).
Auch die Schaltflächen unterhalb des Bildschirms für die Klimaeinstellungen halte ich für gelungen. Andersa als bei Kia EV 9 bedient man diese Schaltflächen nicht versehendtlich, wenn man den Handballen ablegt, um auf derm Tocuh Display etwas auszuwählen. Der Abstand ist ausreichend groß.
Prima ist auch das zweigeteilte Glasdach. Der vordere Teil öffnet wie ein klassisches Schiebedach. Wer die Sonneneinstrahlung nicht mag, schließt die elektrisch betriebenen Sonnenblende.

Nervöser Assistent
Der Level 2-Fahrassistent ist eher ein nervöser Beifahrer. Er erkennt recht spät Vorausfahrende und brmst dann entsprechend ruppig ab. Mitfahrer geben dann dem Fahrer die Schuld, obwohl der gar nichts dafür kann. Auch die Korrektur des Spurhalters fällt häufig zu ruppig aus. Der dürfte etwas entspannter seiner unterstützenden Tätigkeit nachgehen. Bei starkem Gegenlicht der Sonne, stellt der Assistent dann auch seine Arbeit ein.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten
Derzeit befindet sich Nissan in schwierigem wirtschaftlichen Fahrwasser. Der japanische Autohersteller schreibt Verluste. Die Allianz mit Renault hilft da nur bedingt, auch wenn Nissan seinen Micra mit der Technik des elektrischen Renault 5 auf den Markt bringt. Auch der E-Autoklassiker Nissan Leaf kommt in überarbeiteter Form in diesem Jahr auf den Markt. Damit wird deutlich, der Ariya war nur ein Zwischenschritt. Wäre er einige Jahre früher gekommen, würde ich sogar von einem gelungenen Zwischenschritt schreiben. Aber so? Der Einstiegspreis liegt beim Ariya mit der kleinen Batterie (63 kWh) bei rund 44.000 Euro. Mein Testwagen mit großer Batterie und Allradantrieb kostet 61.690 Euro.
* KBA: 652 Stück in 2022, 960 in 2023, 827 in 2024, 730 im ersten Halbjahr 2025
Drei Pros & drei Contras bei Instagram für den Nissan Ariya.