VW ID7: Die bequeme Langstrecken-Limousine

VW ID.7 Pro S am Haus in Schweden

Was haben Passat und Jetta, Santana und Scirocco gemeinsam? Die Modellnamen sind bekannte Winde. Passt ja auch gut zu einem Auto. Auch rechtlich dürfte das einfacher sein, als irgendwelche Kunstnamen. Kunden können sich die Namen auf jeden Fall einfacher merken, als die Buchstaben-Zahlen-Kombinationen. Welcher war noch mal der ID7? Ja, es stellt sich die Frage, wie lange man in Wolfsburg noch an der ID-Bezeichnung für die E-Autos festhalten wird?

Der ID.7 ist der erste Schritt in Richtung elektrische Passat-Klasse. Langfristig wird man den Namen in Anlehnung an den Passat-Wind sicher nicht aufgeben. Seit dem Start 1973 hat Volkswagen rund 34 Millionen Stück vom Passat abgesetzt. Viel werden zuerst an die Kombi-Version denken, die anfänglich bei Volkswagen Variant und nun Tourer heißt. Doch mein Testwagen ist eine Schräghecklimousine genau wie der erste Passat B1 (Typ 32) vor 52 Jahren.

VW ID.7 Pro S

Der ID.7 setzt nicht nur auf viel Platz, sondern vor allem auf Reichweite. Er ist das typische Vertreter- und Familienauto – Zielgruppen, die erst jenseits der 500 km Reichweite auf eine E-Auto umsteigen wollen. Genau das soll die Pro S-Variante mit 708 km (WLTP) Reichweite liefern. Der Wagen bietet nutzbare 86 kWh in der Batterie sowie ausgeklügelte Aerodynamik (siehe Video). Mein Testwagen kommt mit 562 km Reichweite bei einem Ladezustand (SoC) von 97 Prozent bei mir an. Komisch, die fehlenden drei Prozent können ja wohl kaum 146 km ausmachen.

Alles nicht ganz kilometer-genau

Nachdem ich die Routenplanung für unsere 570 km lange Fahrt von Hamburg nach Schweden ins Navi eingegeben haben, sinkt die Anzeige auf 501 km, ohne dass ich mich einen Meter bewegt habe. 700 vs. 500 km – das ist schon mal ein gewaltiger Unterschied! Unsere erste Etappe in Richtung Norden führt durch Dänemark. Wir verzichten auf die Fähre und nehmen den Landweg nach Schweden. Nach 374 km steuern wir in Dänemark einen Schnelllader von Circle K an. Der kleine Fahrerbildschirm zeigt 16 Prozent SoC und 96 km Restreichweite an. 501 – 374 km = 127 km. Eigentlich müssten wir mehr Restkilometer haben. Erste Erkenntnis: E-Autos zeigen Restreichweiten nicht Kilometer-genau an. Mit den Sprüngen muss man leben.

Reichweitenanzeige sinkt nach Routenplanung um 61 km.

Zweite Erkenntnis: Die Reichweiten sind inzwischen größer als es die menschliche Blase aushält. Wir mussten bereits bei 43 Prozent SoC einen Stopp einlegen. Alle drei Passagiere und Hund mussten ihre Blasen leeren. Aber bei dem Ladestand wollte ich das Auto noch nicht anschließen. Also, geht es nach dem `Pipistopp´ direkt weiter.

Manuelles Vorkonditionieren

Sehr praktisch: Der VW ID.7 ist eines der wenigen E-Autos auf dem Markt, die manuelles Vorkonditionieren ermöglichen. Die Batteriezellen nehmen zwischen 25 und 30 Grad Celsicus die maximale Ladeleistung auf. Also müssen sie auf dieses Temperaturfenster gebracht werden. Ist der Ladestopp in der Routenplanung vorgesehen, passiert das automatisch. Will man spontan laden oder fährt ohne Navi, zeigt einem das Menü die aktuell mögliche Ladeleistung in kW an. Man sieht außerdem die Minutenzahl, die noch gefahren werden müsste, um das ideale Ladefenster zu erreichen. Großes Lob an die VW-Ingenieure! Auf meiner Stammstrecke nutze ich das Navi nicht, kenne jede einzelne Ladesäule. Da weiß ich es sehr zu schätzen, manuell vorkonditionieren zu können.

VW ID.7 Pro S Laden

Laden mit 194 kW

Leider erreicht unser Testwagen an der Alpitronic-Ladesäule bei Circle K nicht die maximale Ladeleistung von 200 kW. Wir bleiben mit 194 kW leicht darunter. Das kann aber auch an der guten Auslastung der Station liegen. Die Säulen links und rechts von uns, sind alle belegt. So dauert unser Ladestopp von 16 bis 80 Prozent 27 Minuten. Also einen Hauch länger als die in der Broschüre angegeben 26 Minuten für 10 bis 80 Prozent. Egal, wir haben 55,88 kWh Energie in dieser Zeit nachgeladen. Die neue Reichweite wird mit 459 km angegeben. Das genügt für unsere restliche Strecke als auch die Woche vor Ort im schwedischen Ferienhaus. 

Verbrauch von 16,7 kWh

Über die Brücke des großen Belts sowie den Öresund geht es weiter nach Schweden. Unsere aquamarinblaue Limousine (+ 1.005 €) hat einen 210 kW Motor im Heck. Der beschleunigt den Wagen in 6,6 Sekunden auf 100 km/h. Bei 180 km/h ist Schluss. Doch in Schweden darf man maximal 130 km/h fahren. Auf der Landstraße ist 70 km/h erlaubt. Alle paar Kilometer überprüfen das fest installierte Blitzer. Zum Glück werden sie über Straßenschilder angezeigt.
In Ländern mit derartigen Tempolimits liege ich in Sachen Verbrauch meist recht nah am WLTP-Wert. Der wird von VW mit 13,7 kWh auf 100 km angegeben. Erstaunlich wenig für eine Limousine mit 4,96 m Länge und einem Gewicht von 2.226 kg. Da überrascht es mich nicht, dass meine Anzeige am Ziel für die Strecke 16,7 kWh anzeigt. Das ist vollkommen in Ordnung, zumal auf den beiden langen Brücken sowie den Passagen entlang der Ostsee ein kräftiger Wind von vorn bzw. der Seite weht.

VW ID.7 Pro S Sitz Logo

Gut massiert ankommen

Preislich beginnt der ID7 Pro S bei 59.095 €. Unser Testwagen hat ein Preisschild von 65.900 €. Das liegt u.a. am Interieurpaket Plus (4.475 €). Es enthält eine Wellness-App und Massage-Sitze mit Belüftung, ein 700 Watt Harman Kardon Soundsystem mit 12 Lautsprechern inkl. einem Subwoofer im Kofferraum sowie eine 30-farbige Ambientbeleuchung. Somit mache ich es mir auf der langen Fahrt bequem und lasse mich massieren. Die Augen bleiben dabei stets auf der Straße. Alle wichtigen Fahr- und Richtungsinfos sehe ich dank des Head-up-Displays vor mir schweben. Daher fällt das Fahrer-Display entsprechend klein aus, Es ist nur so hoch wie die Lüftungschlitze und ca. 15 cm breit, doch zeigt es alle notwendigen (Fahr-)Informationen. .

Während meiner Fahrt hält der Assistent (Level 2) die Spur sowie Tempo und Abstand zum Vorausfahrenden. Natürlich muss eine Hand stets am Lenkrad bleiben. Beim Überholen hilft der Side Assist, doch der ist im Grunde Augenwischerei. Das meiste muss der Fahrer noch selber machen. Man setzt den Blinker und tippt das Lenkrad in die gewünschte Richtung, dann unterstützt der Spurwechselassistent. Naja, das kann ich dann auch gleich alles selbst machen. Gewöhnungsbedürftig ist auch die Aufteilung der Lenkradknöpfe. Als Quasi-Standard hat sich bei allen von mir getesteten Herstellern etabliert, dass auf dem rechten Tastenfeld am Lenkrad Funktionen fürs Telefonieren sowie Infotainment und den Sprachassistenten platziert sind. Das linke Tastenfeld gehört den Fahrassistenten. Bei VW liegen im ID7 auf der linken Seite die Lautstärke-Knöpfe.

VW ID.7 Pro S Lautstärke

Zu viel Gras

Praktisch ist der Keyless Acces, so dass sich das Auto entriegelt, sobald ich mit Schlüssel in der Hosentasche mich nähere. Auch das Park Assist Paekt IQ.Drive (+ 1.455 €) ist praktisch für automatisierten Einparken. Der ID7 merkt sich sogar Einparkvorgänge bis zu 50 Meter. Leider klappt das beim schwedischen Ferienhaus nicht, da man zunächst ein Tor passieren muss und dann eine kleine Kurve den Hügel hinauf auf eine Wiese machen muss. Das Gras steht hier recht hoch. Da weigert sich der Parkassistent.

Tiefer Kofferraum

Das Gepäck für drei Personen passt vollständig in den Kofferraum. Der fasst 532 Liter und mit umgeklappter Rückbank sogar 1.586 Liter. Die Ladefläche im Kofferraum beträgt 1,06 m mal 0,96 m und kann bis zu 40 cm hoch belegt werden, damit die Heckklappe problemlos schließt. Klar, das ist in der Tourer-Version (Kombi) mehr. Mit umgeklappter Rücklehne ist die Fläche 1,95 m lang. Das Typ 2-Ladekabel muss unter den Boden im Kofferraum, denn VW verzichtet leider auf einen Frunk unter der Fronthaube.

VW ID.7 Pro S Kofferraum

Wenig Spielfreude

Auf der Rückreise bleibt ausreichend Zeit das Spieleangebot von Air Console auszuprobieren. Die Öresund-Brücke ist halbseitig für einen Marathon gesperrt. Gemeinsam mit meiner Tochter verbinden wir unsere Smartphones per QR-Code mit dem Autosystem. Dazu ist eine Datenverbindung notwendig. Die bekanntesten Spiele im Katalog dürften Pac Man und Wer wird Millionär sein. Die übrigen Spiele kennt man auch, aber unter anderem Namen (Angry Birds, Mensch ärgere Dich nicht etc.)
Der Spielspaß auf dem 38 cm Display hält leider nicht lange an. Die Latenzzeiten sind mitunter viel zu hoch. Bis ein Fingerwisch auf dem Smartphone auf dem zentralen Bildschirm in eine Bewegung umgesetzt wird, vergeht zu viel Zeit. Das mag daran liegen, dass im Stau alle um uns herum ihr Smartphone benutzen und die Funkzelle am Rande ihrer Kapazität ist. Hinzu kommt, das ein Spieler schon bei einer falschen Antwort bei Wer wird Millionär raus ist und der zweite Spieler allein weiter macht. Langweilig. Warum sind die Fragen auf Deutsch, aber man spielt um Dollarbeträge? Bei Pac Man ist der Richtungscontroller eine Fläche auf dem Smartphone-Bildschirm. Die richtige Richtung zu erwischen, während die Augen auf dem Spielgeschehen sind, ist reine Glückssache. Wir lassen das mit den Spielen und wischen wieder auf unseren Smartphones durch soziale Netzwerke, bis der Stau sich auflöst…

VW ID.7 Pro S Airconsole spiele

Dänische Verständigungsschwierigkeiten

Beim letzten Ladestopp in Dänemark hat der ID7 ein Verständigungsproblem mit den Ladesäulen. Zunächst bei Ionity, dann auch bei Circle K wird der Ladevorgang nach wenigen Sekunden abgebrochen. Mehrfach. Den Grund für den Fehler geben weder Fahrzeug noch Ladesäule an.
Da zeigt sich: Elektromobilität erfordert Beharrlichkeit. Ich schließe den CCS-Stecker immer wieder neu an. Irgendwann verstehen sich beide Seite und die Energie fließt. Weiter kein Problem, nur dass Circle K bei jeder Aktivierung in der App pauschal 250 dänische Kronen (33,52 €) auf meiner Kreditkarte reserviert. In dem Moment fragt man sich, ob das alles wieder korrekt storniert wird. Die Antwort lautet: Ja.

VW ID.7 Pro S Reichweite
597 km zeigt der VW ID7 bei 100 Prozent. Das sind 111 km weniger als der WLTP-Wert (708 km)


Plug & Charge muss weiter auf mich warten

Der VW ID7 kann Plug & Charge. Also Stecker an der Ladesäule einstecken und der Ladevorgang beginnt. Man benötigt keine Ladekarte mehr. Das ist die Theorie. Bei diversen Autopräsentationen erlebe ich, wie die Vortragenden die Vorteile des Ladestandards preisen. Ausprobieren – Fehlanzeige. Bei diesen Events ist entweder kein Ladevertrag im Auto hinterlegt oder keine kompatible Ladesäule in der Nähe. Wo die Fallstricke liegen und warum Plug & Charge typisch deutsch schwer over-engineered ist, habe ich bereits in diversen Artikeln beschrieben. Ausprobieren möchte ich es aber trotzdem.

Jetzt aber: Der VW ID7 kann es, mein soeben abgeschlossener Elli-Ladetarif kann es. Die Ladesäule auf dem Gelände von Porsche Hamburg an der Alster kann es (laut Stationssuche). Allerdings passiert nichts, als ich den VW ID7 am Schnelllader angeschlossen habe. Zweiter Versuch. Wieder nichts. Also zücke ich doch die Ladekarte. Bei Porsche frage ich nach deren Ladeexperte, der auch bereitwillig mit mir zum Auto kommt. Doch dort schüttelt er nur den Kopf. Sie hätten gerade einen Ladesäulen-Neustart gemacht. Also, müsste eigentlich funktionieren. Doch mit dem Menü der VW-Modelle kenne er sich nicht aus. Gut, da kann man nichts machen. Plug & Charge und ich werden keine Freunde. Meine Vermutung: Ich musste beim Testwagen mich als Gast-Nutzer anmelden, um die App nutzen zu können. Vermutlich kann nur der Hauptnutzer einen Plug & Charge-fähigen Ladetarif einrichten. So viel zum Thema over-engineered …

VW ID.7 Pro S Lautsprecher

Fazit

Der ID7 macht großen Spaß auf langen Strecken. Er bietet die perfekte Kombi aus Raum, Komfort und ausreichend Reichweite. Als Limousine sieht der Wagen (vor allem in dem Blau) auch noch gut aus. Ich liebe die Spielereien, wie die durchgehende LED-Lichtleiste um unteren Rand der Frontscheibe. Die hilft beim Navigieren und Laden. Es überrascht mich gar nicht, dass der VW ID7 aktuell die monatlichen Zulassungsstatistiken des KBA anführt. Im ersten Halbjahr 2025 dominiert der VW ID7 klar die Zulassungsstatistik aller E-Autos in Deutschland.

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Dirk Kunde

Elektroautos, Brennstoffzellen, stationäre Speicherbatterien, V2G, Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren – die spannendsten Entwicklungen passieren im Bereich Mobilität. Darum geht es in meinen Artikeln und Videos. Als Journalist bin ich stets auf der Suche nach neuen Ideen für Mobilität von Morgen.

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