Clarios: Das Auto von morgen hat drei und mehr Batterien

Clarios Frederico Morales-Zimmermann (c) Steve Fecht

Ein Elektroauto verfügt über eine große Batterie im Boden. Doch ohne eine klassische 12 Volt-Batterie kommt auch ein E-Auto nicht aus. Es steuert das Schließsystem, sobald der Funkschlüssel betätigt wird. Lichter gehen innen und außen an, die Bildschirme schalten sich ein. Erst wenn der Fahrer auf “Start” drückt, erwacht die Hochvolt-Batterie im Boden und gibt ihre Energie ab.

12 Volt Batterie leergelaufen

ADAC Pannenstatistik 2024: Leere Starterbatterie

Man hat schon oft gelesen: E-Autos bleiben liegen, weil die 12 Volt-Batterie leergelaufen ist. Auch in der ADAC-Pannenstatistik ist das bei E-Autos der häufigste Grund für den Anruf bei den “Gelben Engeln”. Doch wie kann das passieren? Ist das E-Auto abgestellt und verriegelt, gehen (fast) alle Systeme in eine Art Tiefschlaf. Das gilt auch für die Hochvoltbatterie. Ruft der Besitzer den Ladezustand per App aus der Ferne ab oder aktiviert die Klimaanlage zum Vorheizen/-kühlen, muss die 12 V-Batterie die jeweiligen Steuergeräte mit Energie versorgen. Bekommt die “kleine” Batterie zu viele derartige Aufgaben, läuft sie leer. Die Hochvoltbatterie erwacht nämlich nicht automatisch und schießt Energie nach. Hier sind die Programmierer der Autohersteller gefragt. Sie müssen Routinen programmieren, um die 12 Volt-Batterie nicht leer laufen zu lassen.

150 Millionen Batterien pro Jahr

Ein großer Anbieter für Niedrigvolt-Batterien ist Clarios. Pro Jahr verkauft das Unternehmen 150 Millionen Nierigvolt-Batterien (12, 24 und 48 Volt). Das ist vier Mal mehr als der nächstgroße Wettbewerber. Die Batterien sind in Autos, Motorrädern und Booten aktiv. Verkauft werden sie in über 100 Ländern unter sechs verschiedenen Marken. In Deutschland ist es Varta, in den USA Optima. 18.000 Menschen arbeiten für Clarios. Der Europa-Hauptsitz (EMEA) befindet sich in Hannover. Während das Geschäft mit der klassischen Bleisäure-Starterbatterie immer noch gut läuft, arbeitet das Unternehmen an neuen Produkten. Dazu gehören neue Zellchemien, Superkondensatoren sowie Cloud-Software zur Überwachung von Batterien im Flotteneinsatz. „Bislang wird ein Auto mit einer 50 Dollar Batterie ausgestattet. Das autonom fahrende Elektroauto von Morgen wird auf einen Wert von bis zu 500 Dollar kommen“, gibt sich Frederico Morales-Zimmermann, Vice President & General Manager von Clarios optimistisch.

Große Zukunft für Niedrigvolt

Das Auto von morgen hat drei oder mehr Batterien, davon ist Morales-Zimmermann überzeugt. Der Grund liegt im fundamentalen Wechsel der Autokonstruktion. Das Schlagwort lautet Software Defined Vehicle (SDV). Bislang arbeiten bis zu einhundert Steuergeräte im Fahrzeug getrennt von einander, um den Sitz zu verstellen, das Klima anzupassen oder den Abstand zum Vorausfahrenden zu halten. Langfristig übernimmt beim SDV ein leistungsfähiger Zentralcomputer sämtliche Steuerungsaufgaben. Als Zwischenschritt unterteilen die Hersteller die Funktionen in Zonen oder Domains, die von jeweils von einer Recheneinheit gesteuert werden. Somit werden Funktionen für Beschleunigung und Bremsen, Fahrdynamik, Fahrerassistenzsysteme, Infotainment und Komfort in jeweils einer Zone zusammengefasst.

Beim SDV halten auch Systeme wie Drive by Wire und Brake by Wire Einzug. Das Lenkrad ist nicht mehr über eine Lenkstange mit den Vorderrädern verbunden. Elektrische Impulse übermitteln die Lenkbewegung an Motor, die beide oder sogar alle Räder einschlagen lassen. Gleiches gilt für die Bremse. Sollte die Energie für den Lenk- oder Bremsbefehl ausbleiben, wird es kritisch. Das gilt auch für die Fahrerassistenzsyteme. Sollte die Energieversorgung für Radar und Lidar, Ultraschall und Kameras ausfallen, entstehen kritische Situationen im Verkehr. Daher planen die Hersteller weitere Batterien zur Absicherung dieser Systeme im Fahrzeug ein. Das werden Niedrigvolt-Batterien mit 12, 24 oder 48 Volt sein. Clarios sieht hier für sich eine enorme Wachtumschance. 

Clarios
Konfektionierung von Lithium-Ionen-Batterien im Clarios-Werk in Hannover

Lithium- und Natrium-Ionen Batterien

Clarios ist über einer Million Stück Großproduzent von 12-Volt-Lithium-Ionen-Batterien. In Holland, Michigan werden die Zellen gefertigt und in Hannover zu Batterien montiert. Der Hauptvorteil von Lithium-Ionen ist, dass sie eine sehr präzise Überwachung auf Zellebene bieten. So kann der Hersteller den Zustand der Batterie sehr genau vorhersagen. Zweitens sind sie deutlich leichter als die klassischen Bleisäure-Batterien. So werden sie beispielsweise von Motorrad-Herstellern bereits eingesetzt.

Eine weitere Zellchemie sind Natrium-Ionen. Der große Vorteil: alle kritischen Mineralien wie Kobalt und Mangan entfallen. Die Zellen werden aus Salz, Eisen, Graphit oder Holz hergestellt. Clarios bezieht die Grundstoffe vom schwedischen Zulieferer Altruis. Das Natrium (engl. Sodium) ist zudem 15 bis 20 Prozent günstiger als Lithium und es gibt keine Kettenreaktion bei Bränden, also kein thermischen Durchgehen. Außerdem lassen sich die Batterien einfacher recyceln. Auf der Contra-Seite steht ein etwas höheres Gewicht und Volumen der Batterien.

Superkondensatoren – die Sprinter

Im SDV-Fahrzeug werden neben Batterien zukünftig auch Superkondensatoren zum Einsatz kommen. Das sind Energiespeicher, die größere Energiemengen in kurzer Zeit abgeben und danach wieder aufgeladen werden. Sie kommen beispielsweise bei aktiven Luftfahrwerken zum Einsatz. Fährt ein Auto mit hoher Geschwindigkeit durch eine Kurve wird in Bruchteilen von Sekunden Energie für die Motoren an den vier Stoßdämpfern benötigt. Sie richten das Fahrwerk so aus, dass das Auto mit einem Fahrzeugboden parallel zur Fahrbahn durch die Kurve fährt. Es gibt kein Einnicken oder Abheben auf einer Fahrzeugseite. “Die Superkondensatoren stabilisieren das gesamte Niedrigvoltsystem im Fahrzeug, wenn es stark gefordert wird”, sagt Morales-Zimmermann.

Superkondensatoren von Clarios: Für schnelle Energieschübe

Batteriezustand über die Cloud kontrollieren

Neben klassischen Bleisäurebatterien stehen so genannte AGM-Batterien (Absorbent Glass Mat) im Zentrum des Angebots. Die funktionieren in kalten Umgebungen deutlich besser als die Bleisäurebatterien. Zudem kann eine angeschlossene Hardware leichter den Status der Zellen analysieren. Insbesondere in Flottenfahrzeugen und schweren Nutzfahrzeugen ist das von großer Bedeutung. Flottenmanager wollen über Analysetools sich anbahnende Ausfälle frühzeitig erkennen. Mit den Clarios Connected Services bietet das Unternehmen eine Echtzeitüberwachung des Batteriezustands bei Nutzfahrzeugen.

Vor allem bei Lkw-Gespannen liefern Batterien die gesamte Energie während einer Lenkpause oder an Ruhetagen (Sonntagsfahrverbot). Die Fahrer beziehen die Energie für Heizung, Licht, Kühlschrank und Medienwiedergabe aus den Batterien. Clarios liefert dem Fahrer jetzt in seinem Bildschirm eine eindeutige Anzeige zum Ladezustand der Batterie. Bislang ließen Lkw-Fahrer nach Gefühl ihre Dieselmaschine laufen, um im Stand Energie für die Niedrigvolt-Batterie zu erzeugen. Diesen Kraftstoff und die damit verbundenen Emissionen kann sich der Fahrer nun sparen. Er weiß jederzeit, wie lange er noch mit Energie aus der Batterie auskommt.

Das Niedrigenergie-System im Auto besteht aus unterschiedlichen Batterietypen: AGM (Absorbent Glass Mat), Lithium-Ionen, Natrium-Ionen (engl. Sodium) und Superkondensatoren (engl. Super Capacitor).

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Dirk Kunde

Elektroautos, Brennstoffzellen, stationäre Speicherbatterien, V2G, Ladeinfrastruktur, autonomes Fahren – die spannendsten Entwicklungen passieren im Bereich Mobilität. Darum geht es in meinen Artikeln und Videos. Als Journalist bin ich stets auf der Suche nach neuen Ideen für Mobilität von Morgen.

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