“Tesla hat in Deutschland die größte Anzahl illegal betriebener Ladesäulen” titelt das Handelsblatts (€) etwas reißerisch, aber nicht falsch. Auch ich habe Tesla in die Überschrift gesetzt und nicht Ionity, EnBW und Allego, die es ebenfalls betrifft. Aber der Name Tesla zieht nun mal mehr Aufmerksamkeit.
Worum geht es? Eichrechtskonformes Laden. Ich kann Eurer Gähnen hören! Aber bleibt ruhig dran: Wie die Waagen im Supermarkt oder die Biergläser in der Kneipe, muss auch eine Ladesäule in Deutschland geeicht sein. Nur dann kann man sicher sein, dass man ein Kilogramm Kirschen, 0,5 Liter Bier oder 50 Kilowattstunden (kWh) Energie bekommen hat. Laut dem Artikel kommt das IKT für Elektromobilität zu dem Ergebnis, dass viele öffentliche Ladesäulen, darunter vor allem Schnelllader (mit Gleichstrom), nicht eichrechtskonform arbeiten. Von den großen Ladeanbietern verfüge lediglich Aral über vorschriftsmäßige Ladesäulen. Konform seien auch die aktuellen Schnellladesäulen der Hersteller ABB, Alpitronic, ADSTec und Compleo. Aber nicht der Großteil der Supercharger von Tesla.
Ein Drama in 3 Akten – 1. Akt: AFID
Bereits im Oktober 2014 erlässt die EU die Richtlinie 2014/94/EU AFID (Alternative Fuels Infrastructure Directive) für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur. Der deutsche Gesetzgeber hat die EU-Richtlinie mit Wirkung zum 1. April 2019 in das deutsche Mess- und Eichrecht umgesetzt. Bis dahin gab es an öffentlichen Ladepunkten Tarife nach Zeit oder Pauschalen (Flatrates sind weiterhin erlaubt). Nun wurde geregelt, dass Strom, wie in Haushalten, nach Kilowattstunde berechnet wird und zwar nachvollziehbar. Die Energiemenge muss genau gemessen, protokolliert, sicher gespeichert und später an den Kunden übermittelt werden. Gleichzeitig wurde eine neue Preisangabenpflicht zum punktuellen Aufladen von E-Fahrzeugen erlassen, also dem spontanen Laden, aber dazu später mehr.
2. Akt: – Keine Gleichstromzähler
Zunächst gab es am Markt keine Anbieter für Gleichstromzähler, die die Eichrechtsvorgaben erfüllt hätten. Es gab bislang einfach keinen Markt für derartige Zähler. Gleichstrom zählen musste man bei der Bahn oder in einigen Betrieben der Schwerindustrie. Ein geeichter Zähler hatte die Größe eines Schaltschranks. Das konnte man unmöglich in eine Ladesäule integrieren. Zudem waren die CPO (Charge Point Operators) gerade mit dem Aufbau ihrer Ladestationen beschäftigt. Die Ladesäulen waren längst bei den Herstellen bestellt oder bereits in Betrieb. Keiner schrieb mit dem Verkauf von Ladestrom schwarze Zahlen und da kommt der Gesetzgeber mit einer zusätzlichen Regelung um die Ecke.
3. Akt. Schnauze voll vom Nachrüsten
Meine Deutung: Es wurde einfach ausgesessen und das gilt bis heute (seit drei Jahren). Die Ladenetzbetreiber sind schwer genervt von den Auflagen, die noch hinzu kamen, während sie längst Standorte betrieben. Neben dem eichrechtskonformen Laden sind das beispielsweise die Kartenterminals für spontanes Laden. Ab Juli 2023 muss jede öffentliche Ladesäule Kartenzahlung ermöglichen. Oder die Errichtung eines Deutschland-Ladenetzes mit Subventionen der öffentlichen Hand, die die Businesspläne etlicher Standorte gefährden.
Eine Ladesäule – viele Preise
Bereits seit Mai 2002 gilt die neue Preisangabenverordnung. Nach §14 müsste der Preis für eine Kilowattstunde auf einem Display, einem Ausdruck oder Aushang an der Ladesäule angezeigt werden. Habt ihr das schon mal gesehen? Ich vermute, auch das wird ausgesessen oder man nutzt die dritte Option des Paragraphens: “Die Preisangabe hat mindestens zu erfolgen mittels einer registrierungsfreien und kostenlosen mobilen Webseite oder Abrufoption für eine Anzeige auf dem Display eines mobilen Endgerätes, auf die am Ladepunkt oder in dessen unmittelbarer Nähe hingewiesen wird.” Der Preis für spontanes Laden ist für mich einer der Knackpunkte der Elektromobilität. Man stelle ich vor, ein Liter Super kostet bei Aral für Bezahler mit Visa-Karte einen anderen Preis als für Bar- oder EC-Karten-Zahler. Genauso ist es aber an der Ladesäule. Mit der Plugsurfing-Karte zahlt man einen anderen Preis als mit der ADAC-Ladekarte oder der Kreditkarte (falls bereits akzeptiert).
Warum werden Teslas Ladesäulen nicht gesperrt?
Eigentlich überrascht es, das die Staatsmacht nicht durchgreift, wenn eine gesetzliche Regelung so eindeutig ignoriert wird wie beim eichrechtskonformen Laden. Vermutlich möchte keine Behörde dafür verantwortlich sein, das noch junge Pflänzchen Elektromobilität abzuwürgen. Man stelle sich gesperrte Schnelllader an der Autobahn während des Reiseverkehrs vor.
“Es ist zu erwarten, dass sich der Nachrüstungsprozess von Schnellladeinfrastruktur noch bis zum Ende des Jahres 2023 hinziehen wird“, sagt Katharina Boesche vom IKT gegenüber dem Handelsblatt. Die Betreiber setzen auf ihren normalen Erneuerungszyklen. Wird eine Ladesäule ausgetauscht, wird sie durch eine eichrechtskonforme Version ersetzt. Um Ärger mit den Behörden zu vermeiden, wird den CPO geraten, an die jeweiligen Landesbetriebe für Mess- und Eichwesen einen Plan zu schicken, wann welche Standorte umgerüstet werden. Sie sollen den guten Willen erkennen können.
Warum noch so viele der 1.800 Ladesäulen von Tesla nicht eichrechtskonform Energie abgeben, dafür habe ich meine eigene Erklärung: Das Design der Supercharger-Ladesäulen wurde von Elon Musk höchst persönlich abgenickt. Da passt kein neuer Zähler rein und einen Kasten “dranschrauben” geht nicht. Hier muss man warten, bis eine passende Lösung aus Texas kommt.