Tesla kommt mit dem Bau seiner Fabrik bei Shanghai gut voran. Elon Musk hat sie auf der Aktionärsversammlung es “schnellstes Bauprojekt, das ich je gesehen habe” bezeichnet. Die Hallen stehen, die Produktionsmaschinen werden nun installiert. Bis Ende 2019 sollen hier Model 3 vom Band rollen. Elektroautos, die aufgrund geringerer Einkaufspreise und Lohnkosten günstiger angeboten werden können. Auf diese Autos entfällt auch kein Importzoll. Aufgrund des Handelsstreits zwischen den USA und China bezahlt Musks Unternehmen zwischen 25 und 40 Prozent an Zöllen. Das beginnt bei der Beschaffung des Computers für das Model 3 aus China und endet bei der Einfuhr der fertigen Fahrzeuge in das Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern.
Ein riesiger Markt. Verlockend, da China aufgrund von Luftverschmutzung massiv auf Elektromobilität setzt. Doch sollte sich der Handelsstreit zwischen den USA und China verschärfen, dürfte Tesla zu den ersten Opfern zählen. “Die Regierung von Shanghai hat Tesla beim Aufbau der Gigafactory 3 sehr unterstützt, sei es beim Gelände oder der Finanzierung. Die chinesische Regierung hat ihr viele Druckmöglichkeiten, um gegen die USA zurückzuschlagen”, sagt Feng Shiming, Chef von Menutor Consulting in Shanghai.
Wie sich ein Mischkonzern automobilisiert
China verfolgt eine Agenda. Das Land möchte Technologieführer im Bereich Elektromobilität werden, sozusagen das Detroit des 21. Jahrhundert. Beispielhaft unter den hunderten Start-ups seien Nio als auch Byton genannt. Konkurrenz für Tesla kommt auch aus ganz anderen Ecken: Evergrande. Der Mischkonzern mit seinen 125.000 Angestellten aus Shenzhen verdient Geld mit Tourismus, Gesundheit und Immobilien. Er belegt Platz 230 auf der Fortune Global 500-Liste. Nun will der Konzern groß in den Autobereich einsteigen. Dazu werden 20,5 Milliarden Euro (160 Mrd. Yuan) im Stadtteil Nansha in Guangzhou investiert.
Im dem Stadtteil, der nord-westlich von Hongkong und Shenzhen liegt, entstehen eine Autofabrik mit einer Kapazität von einer Million Fahrzeugen pro Jahr. Eine Batteriefabrik mit einer Kapazität von bis zu 500 Gigawattstunden sowie eine Fertigungsstätte für Elektromotoren und weitere Bauteile. Neben diesen drei Fertigungsstätten betreibt Evergrands bereits unter seiner neuen Marke Nevs Fabriken in Tianjin und Shanghai.
Update: Zweites Elektromobilitäts-Cluster
Nur vier Tage nach Bekanntgabe der Vereinbarung mit der Bezirks-Regierung von Guangzhou unterzeichnet Evergrande die Absichtserklärung für ein zweites Elektromobilitäts-Cluster im Nordosten Chinas. Rund 2.800 Kilometer von Nansha entfernt soll ebenfalls eine Dreifaltigkeit für E-Autos (Fertigung, Motoren- und Batteriewerk) entstehen. Dazu will der Konzern noch mal 15,45 Milliarden Euro ( 120 Mrd. Yuan) in Shenyang, der Hauptstadt der Provinz Liaoning investieren.
Evergrande kauft Autofabrik in Schweden
Jetzt mag man über den chinesischen Ehrgeiz im Bereich der Elektromobilität staunen. Doch der Konzern hat bereits etliche Fakten geschaffen. Anfang des Jahres übernahm Evergrande die Mehrheit an National Electric Vehicle Sweden (NEVS). Das schwedische Unternehmen hat die Saab-Fabrik in Trollhättan übernommen. Hier lässt das Münchner Start-up Sono Motors demnächst seinen Kleinwagen mit Solarzellen auf der Außenhülle produzieren.
Zudem hat Nevs ein Joint-Venture mit der schwedischen Hypercar-Manufaktur Koenigsegg gegründet. Das Unternehmen baut Luxus-Sportwagen mit Hybridantrieben. Die Batterien dafür kommen vom kroatischen Unternehmen Rimac.
Für den Evergrande-Konzern errichtet Nevs zwei Autofabriken in China. Eine entsteht in Tianjin, unweit der Hauptstadt Peking. Die andere wird in einem Industriegebiet bei Shanghai errichtet. Zusammen haben sie eine jährliche Produktionskapazität von bis zu 200.000 Autos. Zum Start peilt Nevs ein Volumen von rund 50.000 Autos pro Jahr an. Hui Ka Yan, Aufsichtsrat-Chef von Evergrande hat bereits ein fertiges Serienfahrzeug für Juni 2019 angekündigt.
Übernahmen bei Elektromotoren und Batterien
Evergrande hat ein Faible für Radnabenmotoren (In-wheel motors). Dabei sitzt der Elektromotor nicht in der Mitte der Achse, sondern praktisch im Mittelteil der Reifen. Das niederländische Unternehmen e-Traction hat dieses System für Bussen und Lkw entwickelt. Evergrande hat das Unternehmen im März 2019 aufgekauft. In Farnham, England arbeitet Protean Electric an einem ähnlichen Antriebsstrang für leichte Nutzfahrzeuge und Pkw. Die Evergrande-Tochter NEVS hat Protean Electric im Juni 2019 aufgekauft.
Auch den Bereich Batterien hat Evergrande abgedeckt. Zum Jahresbeginn 2019 erwarb der Konzern 58 Prozent der Anteile am japanisch-chinesischen Unternehmen CENAT New Energy. Das Unternehmen mit vier Produktionsstätten in China ist nun Teil der Evergrande Neoenergy Technology Group. Bereits im kommenden Jahr soll eine Kapazität von sechs Gigawattstunden erreicht werden.
Damit man die neuen Elektroautos auch an Käufer bringt, beteiligte sich Evergrande Ende 2018 mit 1,8 Milliarden Euro (14,4 Mrd. Yuan) an der Xinjiang Guanghui Industry Investment Group. Mit seinem Tochterunternehmen China Grand Auto Services betreibt die Gruppe eine der größten Ketten von Autohäusern sowie Werkstätten in China.
Erstes blaues Auge beim Investment in Faraday Future
Evergrandes erster Ausflug in die Welt der Elektromobilität endete in einem heftigen Streit. Über das Tochterunternehmen Season Smart beteiligte sich der Konzern an Faraday Future (FF). Das amerikanische Start-up hatte einen vielversprechenden Start, doch dann kam es zu Meinungsverschiedenheiten im Management als auch bei den Investoren. Etliche der Manager verließen das Unternehmen. Angeblich hatte Evergrande im Jahr 20018 nur 800 Millionen Dollar seines versprochenen Investments in Höhe von zwei Milliarden Dollar an FF ausgezahlt.
Der Streit wurde heftiger und sollte vor Gericht. Doch zu Jahresbeginn 2019 einigten sich die Parteien auf eine Neuordnung des Investments. Das ausstehende Kapital wird von Evergrande gezahlt, doch damit sinkt ihr Anteil an FF von 45 auf 32 Prozent. Evergrande übernimmt im Gegenzug das Nansha Project in China von FF. Es wird Teil der eingangs erwähnten Infrastruktur zur Produktion von Elektroautos.
Um das Thema Ladeinfrastruktur kümmert sich das Tochterunternehmen Evergrande Smart Charging Technology. Bis Mitte 2019 sollten eigentlich alle Beteiligten so weit konsolidiert sein, dass bereits im Juni 2019 erste Elektroautos vom Typ NEVS 9-3 vom Band in einer Fabrik in Tianjin rollen. Doch Caixin berichtet, dass die Zusammenführung der unterschiedlichen Bauteile aus den diversen Beteiligungen komplexer ausfällt, als erwartet. Zu erwarten, man kauft sich alle Elemente einer Autofertigung zusammen und die laufen dann Hand-in-Hand wie ein Schweizer Uhrwerk, ist übertrieben. Doch wenn demnächst alles passt, wird keiner mehr fragen: Ever… was?