In vielen Stromnetzen gibt es bereits Engpässe beim Einspeisen von Energie aus Wind-, Sonnen- und Wasserkraft. In den Netzen müssen Angebot und Nachfrage stets ausgeglichen sein. Bläst der Wind zu kräftig und die Stromnachfrage fällt gering aus, werden Windräder aus dem Wind gedreht. Die saubere Energie geht “flötten”.
Das passiert leider in schöner Regelmäßigkeit. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 5.800 Gigawattstunden grüner Strom abgeregelt, weil entweder keine Nachfrage bestand oder die Netze keine weitere Energie aufnehmen konnten. Mit dem Strom hätte man rund 2,4 Millionen E-Fahrzeuge ein ganzes Jahr lang fahren können. Das Problem wird in Zukunft schlimmer. Aktuell liegt der Anteil der erneuerbaren Stromproduktion lauf Energy Charts vom Fraunhofer ISE Institut bei 49,6 Prozent (2022). Der Anteil soll mittelfristig auf 80 Prozent steigen.

Feldversuch für smartes Laden
Das E-Auto ist hierbei Teil der Lösung. Ist zu viel grüner Strom im Angebot, nehmen E-Autos die Energie auf. Im ersten Schritt geht es um netzdienliches Laden, um das Netz vor Überlastungen zu schützen. Im zweiten Schritt geben die E-Autos die Energie (abends) wieder an die Haushalte ab (bidirektionales Laden).
Wie gut das funktioniert zeigt die Auswertung des Projekts “Smartes Laden“. Hier an nahmen rund 20 Fahrer der Volkswagen-Modelle ID.3, ID.4 und ID.5 im Zeitraum von Juli bis September 2022 teil. Geladen wurde im Netz von Mitnetz Strom. Weitere Projektteilnehmer sind die Volkswagen-Tochter Elli und die Unternehmensberatung E-Bridge.
Geladen wurde über private Wallboxen und mithilfe der Elli-App. Die Ladevorgänge zwischen E-Autos und Netzbetreiber koordinierte ein Algorithmus im Hintergrund. Finanzielle Anreize optimierten das Nutzerverhalten. War viel Strom im Netz, sank der Preis. Zudem wurden rund 30 Prozent der CO2-Emissionen, die sonst bei der Erzeugung des Ladestroms entstehen, eingespart. Weil mehr Grünstrom zum Einsatz kommt, muss bei steigender Nachfrage kein zusätzliches Gaskraftwerk ans Netz gehen.

Flexibilität wird belohnt
Über das finanzielle Anreizsystem profitierten die Projektteilnehmenden vom smarten Laden: Auf das Jahr umgerechnet konnten durch variable Netzentgelte über 40 Prozent der Teilnehmer ihre Stromkosten verringern. Hochgerechnet sparte der Spitzenreiter über 70 Euro jährlich. Entsprechend gut wurde das Lademanagement akzeptiert: 240-mal gaben Teilnehmer sogenannte Flexibilitätszeitfenster für ihre Ladevorgänge an. Sie erklärten sich bereit, das Aufladen netzdienlich zu verschieben. Zum Ende des Projekts gaben mehr als 80 Prozent an, dass sie an einer Weiterführung des Versuchs interessiert sind. In der Auswertung wurden außerdem keine Einschränkungen des Ladekomforts festgestellt.
Mehr E-Autos ohne Netzausbau laden
In den örtlichen Stromnetzen entstanden während der dreimonatigen Testphase keine Engpässe. Vielmehr kann man fünfmal so viele Elektroautos an das Stromnetz anschließen, ohne dass eine neue Leitung verlegt wurde. Die Technologie machte Netzeingriffe überflüssig. Wenn die lokalen Stromnetze in diesem Zuge entlastet werden, erwarten die Unternehmen künftig leichtere Genehmigungen von Wallboxen für weitere Haushalte. „Das Pilotprojekt mit realen Ladevorgängen und optimierten anreizbasierten Ladestrategien hat gezeigt, welchen Mehrwert Elektroautos als mobile Powerbank für das Energiesystem bieten. Das ist ein wichtiger Schritt zum bidirektionalen Laden“, sagt Dr. Niklas Schirmer, Vice President Strategy Elli.
Netzengpässe vermeiden
Der Pilotversuch fand bundesweit statt. Dabei haben die Organisatoren die Infrastruktur eines von Mitnetz Strom betreuten Dorfes in der Umgebung von Halle virtuell nachgebildet. Mit einem Niederspannungsnetz und rund 50, vorwiegend in Einfamilienhäusern lebenden, Haushalten ähnelten die dortigen Rahmenbedingungen der Situation in vielen deutschen Gemeinden. Gleichzeitig ist das Stromnetz der Mitnetz aufgrund der hohen Durchdringung mit Erneuerbaren schon heute in einer Situation, die zukünftig bundesweit immer häufiger auftreten wird.
